Do. Mrz 28th, 2024

Ein kleiner Mann, der mit seiner Gitarre auf dem Sofa saß und ein Stück namens „Sauerkraut“ spielte. Auch „Sauerkraut“ hieß eigentlich nicht „Sauerkraut“, sondern „St. Louis Blues“. Darüber konnte Coco noch mit 88 Jahren lachen, wenn man bei ihm Kaffee trank und Kuchen aß. Mit 15 hatte Coco „Sauerkraut“ zum ersten Mal gespielt, im Delphi in Berlin am Vorabend des Zweiten Weltkriegs. Den „St. Louis Blues“ hätten sie als „Entartete Musik“ nicht spielen dürfen, es war schließlich Jazz. Für die Gestapo und die Reichsmusikkammer war „Sauerkraut“ ein deutscher Schlager.

Was lässt sich über diesen Mann noch sagen, was nicht irgendwo schon mal gestanden hätte?

Sauerkraut? Was sonst. Deutsche, spielen Jazz, Krauts eben. So waren auch noch in den Siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts the Germans genannt worden. Sauerkraut. Heute kann es schon mal sein, dass Bands wie Kraftwerk bei den Grammy-Awards – wie jetzt aktuell 2018 – ausgezeichnet werden. Erst isst man es. Dann wird man es. Ansonsten aber, und das muss man ja beklagen, waren die Anleihen im Jazz nachge-Äff-Äff-Äfft.

So in etwa, wie ein Foxterrier bellt, wenn er Fred heißt und in Berlin wohnt bzw. lebt.

Coco Schumann – lived in Berlin in those yesterdays, here, there and everywhere – vielleicht so nen Typ wie der Django Reinhardt, hatte mehr Finger. Und wurde deutlich älter. Klar: Man kann die beiden eigentlich nicht vergleichen. Und wird auch den Hazy Osterwald nicht hinzupacken können.

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Coco Schumann, Jazz-Musiker und Gitarrist – ARD-alpha

Am 23.02.2017 veröffentlicht: Coco Schumann wurde 1943 nach Theresienstadt deportiert, 1944 nach Auschwitz-Birkenau und Kaufering. 1950 wanderte er nach Australien aus, kam aber 1954 zurück nach Deutschland und steht noch heute als einer der ältesten aktiven Jazzmusiker auf der Bühne – wie er es in seiner Autobiographie „Ghetto-Swinger“ als Lebensmotto formuliert: „Solange ich Musik mache, habe ich keine Zeit, alt zu werden.“ – Bayerischer Rundfunk: http://www.br.de

Aber dieses Judending, dass die Deutschen so deutsch angezettelt hatten, um diesem Braunauer Österreicher zu gefallen, der später fand, das deutsche Volk sei ihm unwürdig und der sich am Ende die Kugel gab und die war wohlverdient.

So wie nichts anderes.


Coco schumann – 90ster Geburtstag im Rathaus Schöneberg, Berlin

Deutschland hatte vor 1933 eine blühende Musik- und Kunstszene.

Dann erfolgte dieses Vakuum. Dieses soud vide Garen und Plätten, dieses Einebnen dessen, was Menschen für Kultur haben halten dürfen. Die Nazis, diese Kulturzwerge, denen man den Karl Kraus entgegenschreien möchte: Wenn die Sonne der Kultur niedrig steht, werfen selbst Zwerge lange Schatten. Reichsprogaganda-Gauleiter Göbbels, nicht humpelnd, sondern kumpelnd, dieser missratene Hahnentritt nationalistischer Pestilenz im umbra-deutsch farbenen Kulturdotter, man muss zwangsläufig würgen:

Während der Berliner Jude Alfred Lion 1939 in New York die Plattenfirma „Blue Note“ gründete und seinen Musikern das Motto „It must schwing!“ verordnete, setzte sich Coco im Berliner Swing über alle Verbote seiner Zeit und seiner Stadt hinweg. Er war, was seine Freunde „Mampe“ nannten, „Halb und Halb“ wie der Likör, zur Hälfte Jude. Er war minderjährig. Und er spielte Jazz. „Musik mit verzerrten Rhythmen und mit atonaler Melodieführung“ (Joseph Goebbels), „den musikalischen Ausdruck des kulturbolschewistischen Judentums“ („Völkischer Beobachter“), „Musik der Kannibalen“ (Richard Strauss). (Nachruf: Die Welt, hier)

Einer der wohl meist zitierten Sätze jenes Coco Schumann traf wie nichts anderes:

„Wer den Swing in sich hat, kann nicht im Gleichschritt marschieren.“ (Heinz Jakob „Coco“ Schumann (* 14. Mai 1924 in Berlin; † 28. Januar 2018 ebenda), deutscher Jazzmusiker und Gitarrist) #Zitate

Coco Schumann war durch und durch Berliner.

Schade.

Es überrascht der Lauf der Dinge zwar nicht. Aber so ein kleines Bisserl weh tut es doch.  Ein Original ist gegangen.

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