Fr. Mrz 29th, 2024

In welchem Alter einer lernt, den Kamm zu blasen, ist eigentlich unwichtig. Wichtig ist: Man tut es. Denn Musik machen ist ein „kleines Paradies auf Erden“, aber hoffentlich kein „little shop of horrors“. Mit 48 Jahren begab ich mich auf die Reise, einen Rollentausch zu wagen: vom Konsument zum Produzent wohlfeiler Töne.

Seit Ende März 2009 lerne ich Blasen, nicht auf dem Kamm, sondern auf einem Saxophon. Die besten Bedingungen dafür wurden mir in einer privaten Musikschule, der Westerland-Schule, geboten. Nach der Einführung auf dem Altsaxophon hatte ich mich aber für ein Tenorsax entschieden. Zunächst begann ich damit, nur einmal wöchentlich Unterricht zu buchen. Nach zwei Monaten wollte ich den Unterricht  zweimal pro Woche. „Kein Problem, Du willst es wirklich wissen, was?“ stellte mein Lehrer fest. Inzwischen beherrsche ich das Greifen aller Töne der C-Dur, D-Dur und G-Dur Tonleiter, auch in der höheren Oktave.

Aus dem Stand kann ich „Morning has broken“ blasen. Noten brauche ich noch bei Phil Collins „A groovy kind of love“. Und zu Weihnachten forderte mein Lehrer scheinbar alles von mir. „Stille Nacht, heilige Nacht“ musste ich aus dem Gedächtnis erspielen. Alles aus dem eigenen Gefühl heraus, hangelte ich mich an den Klappen meines Horns entlang. Es hat geklappt. Seit drei Wochen bin ich mit einem Stück beschäftigt. Es kommt noch immer nicht sauber. Auch wenn ich das Stück, ein Menuett von Johann Sebastian Bach, im Kopf mit “singen“ kann, fällt es mir unheimlich schwer. Der ständige Wechsel der Oktaven fordert nicht nur Können, sondern eine extrem hohe Konzentration.

Dass Klassik zum Erlernen eines Musikinstrumentes dazugehört, geht in Ordnung. Ich selbst will aber auch anderes spielen können. Jazz ist das eigentliche Ziel. Im Netz bin ich auf einen Hinweis zu Improvisationsworkshops gestoßen. Katja Gangoly bietet als Saxophonlehrerin diese Workshops in drei verschiedenen Levels an. Je nach Erkenntnisstand und Schwierigkeitsgrad bietet sie Anfängern, Fortgeschrittenen und den fast Profis ihre Hilfe an. Alle vier Wochen treffen sich 3-4 Saxophonspieler in der Schwedenstr.14, Berlin-Wedding, zum gemeinsamen Improvisieren.

Ich bin gut im Level 1 (Anfänger)  aufgenommen worden. Meine Mitspieler blasen alle länger als zwei Jahre auf ihren Hörnern. Sie spielen in der Hauptsache Altsaxophon. Manchmal bringt einer auch ein Sopransax mit. Mein Tenorsaxophon bietet im Gleichklang der Althörner eine gute Abwechslung.

Als „kleine“ Aufwärmübung (warm up) spielen wir das bekannte Gesellschaftsspiel: „Ich packe meinen Koffer…“  (UN-Kindergarten, ZDF). Einer fängt mit einer Note an, der Zweite muss diese übernehmen und eine weitere dazu fügen, der Dritte muss nun die ersten beiden Töne wiederholen und sich eine dritte aussuchen, und so weiter und …bis so etwa 12 Noten das kleine Stück vervollständigen. Die Schwierigkeit liegt im richtigen Erkennen der gespielten Note. Abgucken was der Vorgänger gegriffen hat, lohnt sich gilt nicht. Der gleich gehörte Ton wird auf dem Altsaxophon anders als auf Sopransax gegriffen, beispielsweise. Es sind transponierende Instrumente. Mein Tenorsax spielt in der B-Stimmung, das Alt in der Es-Stimmlage. Das hängt mit der Größe des Instrumentes zusammen und der entsprechenden darin entstehenden Luftsäule. Dieses Spiel ist eine sehr anspruchsvolle Übung.

Ein echter Knaller neben dem Erkennen, Erhören der Noten ist natürlich das im Kopf behalten. Denn notiert wird nur im Geiste. Nach dieser warm up Übung werden für die Es-Spieler und B-Spieler Notenabfolgen geschrieben. Aus deren Umfang dürfen wir frei nach „Schnauze“ auswählen. Katja gibt uns den Takt vor. Zum Beispiel auf Eins zwei Achtel, dann eine Pause, auf Drei eine Viertel und Pause; oder zwei Halbe; oder auf Eins eine Viertel, dann Pause, auf Drei eine Viertel, und Pause……

Und dann geht‘s richtig los. Im Hintergrund spielt die „Band“ (ein PlayAlong vom Band, darstellend eine Begleitband) und wir bilden den Bläsersatz. Es ist zum Teil urkomisch, anstrengend aber irre gut. Scheint alles ganz einfach zu sein.  Ha, von wegen! Im Rhythmus bleiben, bei den Achteln nicht Achtel mit dem Fuß klopfen, aus Vierteln nicht plötzlich Achtel machen und sich wundern, wo denn die anderen bleiben – das ist schwierig.

Von Elke Pohl

5 Gedanken zu „Saxuality: Was lange währt, kann gut gehen! (Reportage Unterricht)“
  1. Musikmachen ist ein kleines Paradies auf Erden. Ein wunderschöner Satz. Musik machen, ist für mich die Balance zwischen meinem bezahlten Job und meinem Alltags Job. Ich denke gerne an meine Anfänge zurück. Der richtige Ansatz, die ersten Griffe, die ersten kleinen Melodien. In den ersten Monaten fühlte ich mich etwas einsam mit meinem Instrument. Aber durch die Workshops teilen wir unser „Hobby“. Wir holen aus unseren „Hörnern“ raus, was wir bis jetzt an Können hineingesteckt haben. Daraus entsteht tatsächlich immer wieder etwas urkomisches, etwas überraschendes und immer wieder erstaunliches. Es grüßt die kurze Blonde aus der Improvisationsgruppe Level I und ihr Alt-Sax.

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