Fr. Mrz 29th, 2024

In der musikalischen Formel 1 ist der Musikabend eine Art Boxenstopp, zu zeigen, was geht! Die Rennfahrer und Rennfahrerinnen von der Überholspur halten kurz an, eine Erfrischung zu geben, gute Musik. Aber es sind auch Boxenluder zu sehen. Es liegt am Zwischenstopp inmitten dieses Lebensalters: einige haben schon ganz tolle Entwicklungen gemacht. Andere sind gefangen in ihrer Zeit, veranstalten einen großen Bohei, Fanfimmel und „den schönen Schein“. Sein oder nicht bleiben: das ist hier die Frage. Eine kritisch bleibende Berichterstattung. Erlaubt ist erlaubt.

Was soll man sagen: Am 19.05.2011 führten die Neuntklässler vom Droste-Hülshoff-Gymnasium einen (weiteren) Musikabend vor und das hier ist ein (weiterer) Bericht aus eigenem Erleben. Ein Konzert von etwas über einer Zeitstunde, angefüllt mit einem prallen Blumenstrauß verschiedenster Musikstücke und Aufführungen, das Ganze als Gig zu bezeichnen, nun ja? Als Kulturkorrespondent von „der schreibenden Zunft“ hatten wir es nicht leicht. Am Abend noch Sonne, es ist hell und -leider- gegenlichtig. Davon Videos aufzuzeichnen? Schwierig, schwierig. Also rauf auf Stühle und Tische, weit über´s Publikum geschwenkt und hoch den Arm, dann wird das Video schon werden

[iframe_youtube video=“kVG6LuWB2Ro“]
Musikabend 19.05.11 – Celina & Sarah – via Youtube 

Eltern von Kindern versuchen denen zu ermöglichen, ihr musikalisches Stelldichein in grundsätzlicher förderlicher Art und Weise zu unterfangen, wie es eine ansonsten übliche Schule mit zusätzlichen Topfdeckeln wie „Musikschwerpunkt“ könnte. Oder auch mit „französisch“, aber das ist ein anderes Küchengeschirr. Musik in der Schule bzw. frühesten Jugend muss man ja wohl als „Porta Westfalica der Menschwerdung“ begreifen: als Einfallstor zu einer künftigen Karriere als Berufs-, Semiprofi-, Vollblut-, Hobby- oder Freizeitmusiker. Abgesehen von der noch früher einsetzenden musikalischen Früherziehung, die eher orientierungshalber erfolgt: Ja oder Nein.

Programm des Musikabends
Programm des Musikabends

Musikabende haben daher als Zwischenstopps und Vortrags- bzw. Auskunftsportal für interessierte Eltern eine Art Schaufunktion. An diesem Abend zeigt sich vieles, auszugsweise übrigens dies:

  • Die Kinder werden immer größer. Einige, nicht alle, werden (musikalisch) immer besser.
  • Andere werden immer durchschnittlicher, halten aber viel von sich. Manch Selbstbild korrespondiert nicht mit der Fremdwahrnehmung. Manche werden die Klasse bald verlassen, raus gehen aus dem Klassenverband.
  • Es gibt großartige Teildarbietungen und „zu durchschnittliche“, teils auch richtig schlechte, von Fehlern durchsetzte Stückchen, es mag teils an der großen Aufregung liegen und teils am zu wenigen Üben. Die Pubertät ist sowieso eine schwierige Zeit. Trennt sich da musikalisch die Spreu vom Weizen?
  • Aber auch der Musiklehrer hat gewechselt. Und seine Handschrift ist komplett anders, als die seines Vorgängers. Einige sagen, es werde jetzt viel weniger geübt. Bzw. zu wenig.

Früher gab es ein energiegeladenes „Carmen“  voller Tschinderassabum und „aber hallo“, mit Donnerhall. Jetzt ist es eher ein „Köchelverzeichnis dies & das und „achja, das auch“.  Es gibt ein paar Stücke aus klassischerMusik, ein bisschen Pink Panter für drei Querflöten-Girlies, die sind auch super, aber auch aktuelle Popmusik (Bruno Mars! Holla, die Waldfee!), klassisch dargeboten mit Flügel und Geige oder ein anderes Popschnitzel mit Gitarre begleitet und von zwei Mädels abwechselnd hoch und tief gesungen. Gut, die hohen Töne teils zu hoch und wegkippend und die tiefen mit bisschen viel Attitüde ergriffen. Körpersprache ist auch eine Sprache, allerdings lautlos

[iframe_youtube video=“5wk5YTPM5-M“]
Fielen äußerst positiv auf: Johannes, Alexander, Jonna (Trio) -Musikabend 19.05.11 – Czardas – via Youtube 

Eindruck macht „Sounds of Silence“:  es ist so leise, dass man ganz, ganz leise sein muss. Das liegt daran, erfahre ich, dass die eine von zweien, die Gitarre spielt, „sowas von schüchtern“ sei (nicht überprüft) und die andere sich ihr anpasst (mein Eindruck). Die andere, das ist Lena, die uns bereits an Vorabenden schon mit Klarinette stark beeindruckt hat und für mich zu den Highlights in musikalischer Hinsicht zählt. Sie steht bei uns im Ruf, eine sehr gute Musikerin zu sein, sie singt auch richtig und sogar, bei Bedarf, ganz leise. Dafür Lob: Empathie ist wichtig. Chapeau, Lena, super.

Ein ganz anderes Mädchen macht auf ganz andere Weise von sich reden. Sie wird uns folglich immer in Erinnerung bleiben. Sie ist eine Art Sirene (Odysseus), versucht uns mit Gesang zu betören, damit wir bei ihr anlanden. Aber sie wird uns nicht töten, wie es in der Mythologie heißt, sondern allenfalls „unseren Nerv“.  Eine Popnudel (nicht Lady, aber doch gaga!), die „einen eigenen Fanclub“ (Horden) mit schrägen Gelfrisuren mitgebracht hat. Sie ist (zu) laut, haut Töne raus und klopft sich dabei eins. Immer wenn´s Gesang werden würde, gibt sie an ihre Komplizin Komparsin ab, die kein leichtes Spiel hat. Denn ihr versagt in den höheren Falsettlagen die Stimme, während die tiefbrünstige Sirene die sicheren Gewässer….. Eine ungleiche, nicht faire Rollenverteilung. Dass da jemand zu starken Einfluß auf die Darbietung genommen hat, Rollen verteilt hat, um sich selbst in Szene, eine Rolle, für die man nicht üben muss. Alles Schwierige für die Andere, aber trotzdem nicht genug üben, gilt nicht. Und keine Einflußnahme durch „regulierende Außenstehende“ zulassen, die hätten vielleicht gesagt, so kannst du das nicht machen.

Während wir „verrückt stöhnen“, um unserem selbsterwählten Auftrag als Sonderberichterstatter vom Musikabend gerecht werden zu wollen,  wippen und schnippen wir noch (quasi nebenbei), denn hier und da ist es wirklich gute Musik, sich bewegen gehört selbstverständlich dazu. Das ist natürlich „echt peinlich“ für Youngster und in den Reihen der 15-jährigen Schüler fangen die Mädchen an, miteinander zu kichern, zu tuscheln und so „Guck mal, der da….hah hah hah….“. Okay, das muss am Alter liegen. Musik ist gut oder schlecht, und das wars auch schon. Wenn die Darbietung stimmt. Ein Elternchor ist auch vorhanden, aber der führt nichts auf.

[iframe_youtube video=“LtXrKo8Btfc“]
Bobby McFerrin live – Solo – via Youtube 

Musikalisches Vokabular könnte theoretisch auch der Chor haben, bzw. erst noch erarbeiten. Körpertrommeln, Schnippen, Beatboxing, stimmliche Ersetzungen für Bass, Bläser- und Streicheranmutungen sind denkbar, aber auch Groove, Clap und (S-Bahn-verdächtig) „Klopp“. Bumm.Tschak. Das Stück „Don´t worry be happy“ von Bobby McFerrin lässt hier vieles zu und ist eine ideale Spielwiese, um zu vermitteln, was musikalisch möglich ist, wenn man eine Rotte Wildferkel antreibt, musikalisch die Sau rauszulassen. Musik bedeutet zunächst Rezitation, dann Üben, Üben, Üben. Beherrschung! Von diesem Punkt an kommt Freiheit hinzu, Interpretation und „Standardabweichung“ – nun ist Musik individuell, eventuell Aufsehen erregend!

Wie in jedem anderen Konzert gibt es Highlights und äußerst flache Tiefflüge unterschiedlicher Schüler, Talente, Musikanten. Am Ende gibt es dieses „Don´t worry, be happy“ von Bobby McFerrin, aber leider groovt die Nummer nicht, zu lasch, zu wenig inbrünstig und zu viel Personal, die gesamte Klasse ist suboptimal eingearbeitet, es fehlen klare Konturen, weder schnippen welche taktisch swingy, noch kann der Kontrabass eine Linie vorweisen, die jazzy wäre. Und auch die Gesangs-Arrangements sind (zu) artig, zu gerade und zu wenig einfallslosreich. Während wir den ganzen Abend über Höhepunkte beklatschten, sind wir am Ende froh, dass der Abend nun vorüber ist. Ein kritischer Geist in uns sagt: der vorherige Musiklehrer hatte mehr „Schmiss“ und war „deutlich stärker involviert“, man denkt ein paar Mal, der heutige Abend, das eben für den neuen Lehrer eher ein Pflichtprogramm, er muss das halbjährlich abliefern. Wo wir mit Schmiss argumentieren, ist die Mensur im Spiel und damit die Musikverbundenheit. Vielleicht stimmt das ja auch nicht: man wird die weitere Entwicklung dieser sehr musikalischen Klasse kritisch, aber gewogen weiter beobachten. Eine unliebsame Wahrheit: um musikalisch besser zu werden muss man üben, üben, üben. Übrigens auch als Lehrer.

[iframe_youtube video=“5bNE-5TVAmg“]
Bobby McFerrin – Don´t worry, be happy- Solo – via Youtube

Musikalisches Vokabular vermitteln in der Regel die Lehrer, aber auch die Eltern, der Popstar, das Vorbild. Es geht darum, die Poren zu öffnen. Irgendwann fließt der Saft von allein…, aber ganz entscheidend ist, dass es einen Impulsgeber gibt. Die Erstarrung in bestimmten, zu engen musikalischen Grenzen ist kontraproduktiv für die Wissensvermittlung. Im großen Ganzen des Schulprogramms fehlt eindeutig die Kategorie „JAZZ“, die es geübten Musikern erlaubt, die Grenzen von zu einengenden musikalischen Konventionen weg zu sprengen! Egal, ob klassisch, Pop, Rock oder R & B: Wenn die Musik zu artig-angepasst dargeboten wird, stirbt sie. „Jazz ist nicht tot, Jazz riecht nur ein bisschen komisch“ (Zitat Frank Zappa)

Musikabende müssen Highlights sein: was aufgeführt wird, muss gewissen Qualitätsstandards genügen. Der Lehrer sollte auch eingreifen, um Verfehlungen zu vermeiden. Popsternchen, die die Töne nicht treffen, aber Heerscharen schulfremder Menschen einladen, müssen deutlich in ihre Schranken gewiesen werden. Es geht darum, einem bestimmten, etwas höheren Anspruch Platz und Geltung zu verschaffen. Chapeau, Kompliment: Viele Schüler haben großartige Leistungen gezeigt.

Ein Gedanke zu „509/11: Gigs, Review: Musikabend der Neuntklässler vom Droste-Hülshoff-Gymnasium #Musikklasse“

Schreibe einen Kommentar

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.