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Die Geschichte des Krautrock

Update 15.10.14: Eine Weile nicht mehr nachgesehen, datiert die Erstveröffentlichung dieses Artikels und insbesondere der verlinkten Seite mit der BBC-Dokumentation aus dem Jahre 2010. Sehr häufig angeklickt, fand das Thema offenbar Interesse. Allerdings: Immer wieder zerbomben Urheberrechtsansprüche solche Fleißarbeiten und legen im digitalen Weltkrieg Webseiten in Trümmer. Tröstlich: Davon stirbt niemand. Die Arbeit allerdings ist dahin. Das wurde heute noch einmal nachgearbeitet, denn die Seite ist wichtig. Punkt.

Das ist das Schöne an der Englischsprachigkeit: Im Gegensatz zum amerikanischen Englisch, dem ein „noodlewood between both teeths“ (Pidgeon-Englisch) anhaftet oder ein Chewinggum, handelt es sich bei dem british Englisch um weniger anarchistische Sprachfetzen. Sie sind verständlich, wer Schulenglisch genossen hat, mag vieles davon ohne Simultanübersetzer gut verstehen. Es ist ein „englischer Blick“ auf Deutschland, mit starken Tendenzen zu vereinfachen und zusammenzufassen.

Hinzu kommt:

 

Die Native Speakers der BBC lassen die Dokumentation mit dem allerdings unzutreffenden Titel „Krautrock – The Rebirth of Germany“ beginnen mit der totalen Zerstörung im Mai 1945. Das ist etwas an den britischen Haaren herbei bemüht.

Dann folgt 1968 eine Rockmusik, die Deutschland „aus Ruinen auferstehen“ lässt. Ein bisschen Fuffziger (The German Wirtschaftswunder), ein bisschen Siebziger (Sozialwohnungsblöcke in Kreuzberg) und, „The german Schlager“, repräsentiert durch Rex Gildo.

In West-Berlin 1967 Studentenunruhen (vor der Deutschen Oper)-untermalt von Jimi Hendrix-. Hier kommen Amon Düül (schwupps, München) und 1968 ins Spiel, nachdem Adolf Hitler noch vom Berghof in die bayerischen Berge schaut. BBC 4 hat die Sendung zusammengestellt, „thanks to big aunt BBC @Bush House….? Buschfunk Bushfunk, das ist keine andere Musikrichtung oder ein zwei funkige US-Präsidenten gleichen Namens, sondern Sendestoff auf dem größten, englischsprachigen Sender, der auf einer Insel beheimatet ist. Zu Wort kommen viele, die nicht so richtig gut englisch sprechen können. „Was heißt eigentlich Menschenwürde,“ rätselt Popul Vuh-Mitbegründer Florian Fricke. The German Krauts, soviel steht fest, waren nicht anglophil.

Krautrock, das ist offenbar was zutiefst Deutsches, allerdings -früher relevant- West: Und da wird die Doku richtig gut. Sie stellt zutreffend heraus, worum es seinerzeit ging. Die Youngsters seinerzeit hatten ein Generationenkonflikt ersten Ranges. Erst waren es großdeutsche Träume und ein Vernichtungskrieg mit millionenhaft, industrieartig betriebenem Massenmord an Juden, Schwulen, Sozialdemokraten, Sintis und Roma, in Deutschland und vergleichbare Gräuel in der Sowjetunion unter Stalin. Dann waren es die Lehrer, Professoren, Ministerialbeamten, die Anschluss fanden in der jungen Westrepublik. Von einer Ostrepublik zur selben Zeit ist in der BBC-Doku keine Rede. Krautrock daher ein Stück Wessikultur. Stimmt, so haben es alle aufgefasst.

Edgar Froese (Tangerine Dream, ah, Berlin!) kann besser englisch sprechen, als Holger Czukay (Can, Bassist, Köln). Karlheinz Stockhausen (Köln) sagt nichts, und bei Drehbeginn war er schon tot, außerdem kann er als Beteiligter im Krautwurst-Ensemble auch kaum durchgehen, obwohl er die Arbeit der (englischen) Musiker von Weltrang maßgeblich beeinflusste (Beispiele: A day in the life (Beatles), Ummagumma (Pink Floyd)). Die Eltern derjenigen, die (lt. BBC) „ab 1968“ anfingen, Krautrock als eigenständige Marke zu etablieren, waren vielfach Nazis gewesen.  Früher Rock’n Roll der Fünfziger oder beispielsweise die sogenannte Swingjugend kommen in der Dokumentation nicht vor und sind komplett ausgeblendet. Krautrock beginnt aus englischer Sicht ab 1968. Niemand hat noch genauere Erinnerungen an die Zeit, denn -so die Erinnerung jedenfalls- meistens waren „alle stoned“. Das kann gut sein.

Der ehemalige Schlagzeuger der Scorpions Hermann Rarebell nennt sich kokett „Hermann, the german“ – na bitte, und lebt damit ganz im Ausland.

Abgesehen davon ist die Erinnerung jedenfalls soweit wach, als mit der Doku eines sehr gut herausgearbeitet wird: Nach dem „urdeutschen Schock“, der ab Mai 1945 ganzgesellschaftliche Umorientierungen einforderte, hat es das Abwerfen von Rosinen, Kaugummis und Tafelschokolade, Rock’n Roll, Beat und die gesamte englischsprachige Welt nicht geschafft, den „German Krauts“  die Art und Weise vorzuschreiben, wie künftig in Deutschland Musik gemacht werden sollte. Es ging um einen ganz eigenen Weg, der zwar Anleihen am britisch-amerikanischen „Pop- und Rockungeheuer“ nahm, aber eigene Weiterentwicklungen erfahren sollte. Und manchmal, das kommt ebenfalls gut heraus, ganz eigene, etwas abseitige Wege ging.

Kurzweilig, gut gemacht und von ein paar ganz  kleinen Schnitzer abgesehen, siehe oben, sehr sehenswert.

Sonderseite Krautrock

Ein Gedanke zu „73/10: Historie: Die Geschichte des Krautrock (BBC 4 Dokumentation) – „Die englische Sicht!““

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