Do. Mrz 28th, 2024
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Steve Gadd zeigt den Mozambique-Drumgroove

„Wir sind für vieles offen. Alles was in Richtung Rolling Stones geht, ist gut.“ (Antwort eines 60 Jahre alten Rockmusikers auf eine Kleinanzeige)

In der Band von Jimi Hendrix waren die Verhältnisse geklärt. Er war der Chef vom ganzen. Die mitspielen durften, waren für eine Zeit gesegnet und standen in seinem Schatten, Jimi aber war das Maß aller Dinge. Von ihm ging aus, was den Weltruhm begründete. Nichts anderes gilt für Prince.

Anders sieht es aus in jeder piefigen, schmierigen Hobbyband in Berlin-Brandenburg. Oder in Zossen an der Knatter. Hier kommt vielfach „Teamgeist“ zum tragen und in den allermeisten der unzähligen Bands favorisieren vier bis fünf Bandmitglieder echte griechische Werte wie die Demokratie.

Bzw. die Mitbestimmung. Jeder darf zu allem alles sagen. Oder auch nicht. Es gibt wie in anderen gesellschaftlichen Zusammenhängen durchaus die Diktatur der Mehrheit, die die unterlegene Minderheit zu unterjochen versucht. Demokratie ist eine feine Sache.

Bei bestimmten Gelegenheiten nervt sie gar regelrecht.

„Was wollen wir mit der Beschreibung „Rolling Stones“ anfangen? Die Stones hatten seit 1963 auf einer Bandbreite verschiedenste Stilmittel der Musik benützt und für manche davon mussten sie erst ausgiebig üben. Sie haben von den Beatles gelernt und sie in ihren Phasen nachgemacht, bis zum Split der Beatles. Rock´n Roll, dann wurde es psychedelisch. Nach dem Beatles-Split machten die Stones sogar Funk- und Reggaemusik.“

Das ist vielleicht auch der Grund, warum es keinen Schaden verursacht, wenn Bandmitglieder sich als Alpha-, Beta- oder Gammatierchen in einem Bandzusammenhang formieren und sozialisieren.

Die Starken sind diejenigen, die die Trends festlegen, das Übungsprogramm aufsetzen, dafür sorgen, dass der Übungsraum angemietet wird und die Miete pünktlich fließt. Im Gegensatz dazu stehen die „Mitläufer“. Sie bleiben auch mal ihren Mietanteil schuldig oder kommen gar nicht erst auf die Idee, eine Kostenbeteiligung anzubieten.

Sie finden Auto fahren doof und bitten den autofahrenden Gitarristen aber, sie nach den Proben regelmäßig noch mit zu nehmen an einen passenden Ort. Aus einer Position ihrer Schwäche hinaus argumentieren sie gern, sie müssten sonst laufen.

Das alles ist überspitzt beschrieben, trifft aber auf eine Vielzahl von Bands zu und natürlich in jeder Band mehr oder minder nuancierter, differenzierter und auch mal ganz anders.

Im bandsoziologischen Zusammenhang ist das Verweilen auf derselben  Verhaltensstufe besonders mit Mitarbeitsverweigerern und ständig insistierenden Maulhelden am schwierigsten.

Das Gute, so sollte es zumindest sein, ist die Musik selbst. Ihr zu Ehren findet jede Veranstaltung von Probeterminen statt. Zieldefinition „Auftritt“ oder „Studio“, das sind alles denkbare Ziele. Oder einfach nur „jammen“ aus Spaß an der Freude. Die Ziele der Bandmitglieder sollten übereinstimmen. Das wäre am besten. Zielloses Aneinanderreihen von Probeterminen ohne Fortschritt, ohne ein Programm, ohne fertige, wieder aufführbare Musikstücke, das kann man wollen. Vielen reicht das allerdings nicht.


Carter Beauford erklärt, wie man Reggae trommelt

Oft geht die Selbsterkenntnis nicht konform mit der Gruppenbeschreibung nach außen hin:

Ein in Wahrheit gräuslicher Bassist mit Timingproblemen und viel zu wenigen eigenen Übungsanstrengungen kann nun mal nicht über sich hinaus wachsen, wenn er nicht übt und beständig an seiner eigenen Qualität feilt.

Ebenso geht es dem Keyboarder, der eigentlich lieber Bass spielen würde, aber im Bandzusammenhang als Keyboarder vor die schwierige Frage musikalischer Bildung gestellt wird: „Kannst Du anstatt eine Siebener Tonleiter hier mal eine DUR-Tonleiter machen?“ An dieser Stelle verzagt der unzureichend ausgebildete Keyboarder/Pianist, wenn er nicht bereit ist, diese grundlegenden Dinge „zu begreifen“, sie zu erarbeiten und für ihre stetige Abrufbarkeit zu sorgen. „Ich weiß gar nicht, wie das geht.“ – „Na, dann hast du ja was zu üben.“

In ihrer Gruppenbeschreibung nach außen hin gehen viele Bands allerdings schon mal verbal auf eine Übertreibungsebene, die weit über die eigene Wirklichkeit hinausgeht. Anstatt zu üben, schwafelt man schon mal vom „von der Musik leben wollen“ oder vom „regelmäßigen Auftreten“. Alles Quark mit Soße.

So spielte der Keyboarder einen Boogie Woogie mit einer Walking-Bass-Begleitung. Der Bassist arbeitete nun so lange daran herum, bis dann die Walking-Bass-Geschichte kaputt war. Nivelliert, angeglichen an eine andere Art vollkommen anderen Mainstream, der mit der Ursprungsidee des Keyboarders so gut wie gar nichts mehr gemein hatte. Der Bassist brummte nur noch auf dem Grundton. Nicht mit den Fingern, sondern mit einem laschen Plektrumanschlag. Der ganze Zauber des Walking Bass verflogen!

Das ließ mich erschrecken und störte mich unbändig, dass ich die Sache angesprochen habe. Heftiger Widerstand gegen das Verlangen, der Musik zu dienen, ließ uns in einem Exkurs allerhand wilde, musikalische Grundtheorien besprechen.

Ich stellte die Behauptung auf, dass wir nicht die Herren unserer Musik sind, sondern dass wir Diener unserer Musik seien. Wir hätten nicht die Erlaubnis, uns über bestimmte gesetzmäßig wirkende Grundlagen gemeinsamer Musik hinweg zu setzen, sondern wir müssten der Idee an sich huldigen und auch wenn es uns keinen Spaß mache, so hätten wir den Walking Bass zu spielen, wenn die Musik es gebietet.

Die Musik selbst, das Produkt unseres Musizierens, das sei die reine Form dessen, was wir mit unserem Zusammenschluss zu bezwecken hätten. Nicht mehr und nicht weniger.

Im Zusammenhang mit dem erforderlichen Walking Bass ist es den Protagonisten der Musik sympathisch oder fremd, erforderliche Maßnahmen zur Musikgewinnung einzuleiten. Sie können auf einer amateurhaften Ebene behaupten, sie hätten noch nie den Walking Bass gemocht, sie hätten ihn noch nie geübt und sie lehnten es ab, ihn zu bedienen, er sei nur ein billiges Klischee. Ich lass mir das gern gefallen von einem musikalischen Genialisten, der einen Walking Bass bei Bedarf hinlegt wie nichts anderes, der dann aber überleitet zu etwas vollkommen anderem. And now something complete different…

Ähnlich verhält es sich mit den Reinheitsfanatikern, die dem unsicheren Schlagzeuger verbieten wollen, bei Bedarf einen Klicktrack zu benutzen, um eine korrekte Time am Stück zu proben und die ganze Band hierauf einzuschwören. Man kann es dem Drummer natürlich verbieten, aber wozu? Drummer müssen (jedenfalls heutzutage) durchaus mit Klick spielen und zwar so souverän, dass sie sogar ihre „musikalische Time“ in sich behalten und locker und leicht mit dem Klick spielen, und nicht mit angestrengtem Verharren im Kopfhörer. Simon Phillipps (Drummer) hat mal gesagt: „Am besten ist der Klick, wenn du ihn nicht mehr hörst. Dann bist du in time.“

Sweet Child in Time: Ein jeder schafft sich sein Puppenhäuschen auch in der Musik und biegt sich die eigene Existenz, sodass sie zu ihm passt.

Ich habe keine richtige oder einzig wahre Antwort auf diese Beschreibung eines Grundkonflikts. Ich kann aber sagen, ich halte diese Haltung für unerträglich und inakzeptabel. Stilismus-Studien auf dem eigenen Instrument sind unbedingtes Pflichtprogramm für jede vernünftig agierende, kosmopolitisch interessante und vielfältige Band. Gegen die Verwendung all jener Stile, die uns die Geschichte geschenkt hat, ist nichts einzuwenden. Es ist auch nichts dagegen einzuwenden, wenn jemand aus einem Boogie Woogie einen Reggae machen will, aber es ist zumindest zu fordern, dass er dies beherrscht.

Der Drumgroove „Mosambique“, dessen wesentlicher Vater Steve Gadd (Video ganz oben und hier direkt über diesem Text) ist, gehörte zum bemühten Übungsprogramm.  Man kann den Groove mögen oder nicht: Er bereichert die eigenen stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten erheblich. Und lohnt, jenseits des Mainstreams daran zu üben. Letztlich ist er nicht bedeutender als alle anderen Rhythmen, die man spielen kann. Und es sind leicht mehrere 1.000, mit denen man sich befassen kann, vernünftigerweise.

Grundlagenarbeit am eigenen Instrument ist Voraussetzung für ein eigenes Repertoire, für „ein Arsenal an Waffen“ und für jede Art von überschäumender Kreativität. Dieses Arsenal an Waffen ist das zu präsentierende Arschgeweih des gewieften Musikers.

Dies alles ist nur ein Aspekt von vielen, der die Bandarbeit betrifft und ich gebe zu, dieser Teilaspekt kann vernünftig gar nicht abgeschlossen werden. Aber der Artikel betrifft eine zu fordernde Grundhaltung eines jeden Musikers im Bandkontext. Je mehr der Musiker kann, desto mehr weiß er zu den richtigen Mitteln zu greifen, um einer Band ihre besondere Einzigartigkeit zuteil werden zu lassen.

_link Lotse

 

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