Do. Mrz 28th, 2024

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Tangerine Dream – Bent Cold Sidewalk (1978)

‚Es gibt keinen Tod, nur einen Wechsel unserer kosmischen Adresse.‘ (Edgar Froese, früher)

Siebzig ist ja heute gar kein Alter.

Dass Musiker nicht so alt werden, üblicherweise, hängt vielleicht auch mit ihrem unsteten Lebenswandel zusammen. Edgar Froese, einer von mehreren Mitbegründern der Berliner Elektronikband „Tangerine Dream“, hat wirklich die ganze Welt gesehen. Der ist rumgekommen, wie wenige andere es mit Musik schaffen. Der Jazzmusiker George Shearing wurde älter, 91 Jahre alt. Zu seinem Achtzigsten sagte er ein Konzert ihm zu Ehren sich selbst wie folgt an: „Ich habe 300 Songs geschrieben. 299 davon genossen eine holprige Fahrt zwischen relativer Unbekanntheit bis Vergessen. Hier ist der andere“ (30.11.1999, Carnegie Hall) – Shearing hat den Jazzklassiker „Lullaby Of Birdland“ geschrieben.

Edgar Froese erschien uns wenig humorvoll zeitlebens. Zumindest haben wir ihn nicht als großen Komiker in Erinnerung, sondern als squärisches Irgendwas, zwischen irgendwelchen Nebeln des Trauens. Erste Räucherkerzen, das Jugendzimmer in Stanniol tapeziert, überall liegt Flokati herum, die Wände schwarz gestrichen. Eine Lichtorgel mit 3 Lampen, und eine großartige, erste Stereoanlage: „Bent Cold Sidewalk“ (Cyclone).


Tangerine Dream – Wish You Were Here (2010)

„Ladies & Gentlemen: The Captain has left the ship.“ (Sohn Jerome Froese auf facebook)

In Wirklichkeit war Tangerine Dream in Film, Funk und Fernsehen ähnlich omnipräsent wie „Wish You Were Here“ (Auskopplung „Shine On You Crazy Diamond“). Diese elektronische, wabernde Synthiemusik, die TD herstellte, hatte so etwas wie „Alleinstellungsmerkmale“. Einige, wenig andere machten so was noch, z.B. Klaus Schulze. Aber der hatte schließlich mit Froese gemeinsam angefangen, derartiges Musik zu nennen. Etwas überspitzt gesagt gingen sie gemeinsam in Berlin zur Schule….

Post mortem berichtet der Tagesspiegel über humoreske Einmischungen Froeses in die Berliner StammtischLokalpolitik „Wir sind ja auch dieses Mal wieder in Tegel gelandet“, erzählt er. Aha, fragende Blicke im Publikum. „Auch nächstes Mal werden wir wieder in Tegel landen.“ Den Fans dämmert, worauf der Mann hinaus will. „Und der Wowereit ist in Peking.“ Auf dem Flughafengelände nämlich, „da eröffnet 2015 die weltgrößte chinesische Champignonfarm“. (Quelle: hier)

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Synthies ohne Ende, Trendverkabelung großer Studioräume, Expo-Shows in Japan. TD vor dem Reichstag und Hunderttausende kamen und verströmten Patschuli und andere, bittersüße Substanzen.

Tangerine.Dream_Banner

The Reincarnation of Electrity. Auch ein bisschen „spinnert“ das.

TD haben Millionen Scheiben verkauft und sind in vielen Filmen Begleiter in musikalischer Hinsicht.

Mein Schlagzeuglehrer Lutz wohnte in der Schwäbischen Str. in Berlin-Wilmersdorf direkt über dem „normal gebliebenen“ Mieter, nicht Eigentümer, Edgar Froese. Dabei hätte Froese das ganze Haus einfach kaufen sollen können. In ihm weht Musikgeschichte. Es ist die besondere, unauflösliche Aufgabe des Schlagzeugers, seinem unterlegenen Nachbarn Edgar, dem Musiker par excellence, nicht auf den Nerven herumzutreten. Das ständige Präkeln. In der Eingangshalle des Hauses hängt ein großer Spiegel.

«Jener Spiegel ist nicht interessant, weil er da hängt, sondern weil David Bowie, Brian Eno, Iggy Pop, George Moorse, Friedrich Gulda und viele andere Zeitgenossen dort hineingeschaut haben, um festzustellen, dass der Zeitzahn wieder faltentief an ihnen gearbeitet hat. Dann stiegen diese Exemplare einer zeitlosen Epoche in die zweite Etage und bekamen von uns eine warme Mahlzeit. Gastfreundschaft unter Gleichgesinnten.» (Tagesspiegel, hier)


Tangerine Dream Live in Zürich 2012: »Stratosfear 2005«

In the years 1976 – 78 David Bowie and his family were recurring guests at our apartment in Berlin Schöneberg (Schwäbische Strasse 7). While the adults were in deep conversation I have often played with his son „Zowie“ for many hours. On my seventh birthday in 1977, David brought me a „Mechanical Mighty Robot from Noguchi“ as a birthday present, saying: „It’s a friend of Major Tom“. Thanks for your music and memories Mr. Bowie. RIP (Jerome Froese, am 11.01.16 zum Tode von David Bowie, nachträglich aktualisiert)

Im dritten wohnt Lutz und stellt fest, vor Jahren schon, im Gespräch mit mir: Ein solcher Nachbar hat auch seine Vorteile: „Der ist ja nie da.“ – Edgar Froese zog vor langem weg, wohnte in den letzten Jahren in Wien und Los Angeles.

Edgar Froese starb am 20. Januar 2015 in Wien. So genau kannte ihn niemand in der so genannten Öffentlichkeit. Er blickte überwiegend ernsthaft in die Runde, ein offizielles Lächeln war selten. Das Bouquet wird ihm zu Ehren geschnürt als Danksagung für eine stilbildende Musikepoche und lebenslange Schaffensphase, die unvergleichlich war. Sie ernährte den Erschaffer, dessen Familie und die Projektfinanzierung redlich und war kosmopolitisch von Relevanz. Aus aller Welt kommen Kondolenzen. Aus Berlin auch eine kurzgefasste wie diese hier:

Danke, Edgar! Grüß mir den Udo, den Elvis, Jimi, Janis und John. Zündet Euch ein Räucherstäbchen an, Patschuli vielleicht oder die üblichen Verdächtigen.

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