Fr. Apr 19th, 2024
Kerze #Trauer
Kerze #Trauer

Verscheuch nicht die Gespenster. Jag sie nicht fort. Sie brauchen eine Heimat und ein gutes Wort. Jag nicht deine Schatten und fang nicht die Feen. Sie können sonst nicht mehr atmen und nicht mehr nach dir sehen. Tanze mit den Elfen, doch tanze ganz sacht, weil ne Elfe ohne Füße nie mehr wieder lacht. Spiel ruhig mit dem Einhorn, aber tu ihm nicht weh, es kann sonst nicht mehr rennen und nicht mehr nach dir sehn. Wenn einst am Tage die Nachtvögel schrein, find ich mich wieder oder du bleibst allein. Ich hab mich ’n Leben gefragt, wer ich bin. Ich bin nur ’ne Frau und ’ne Nachtvögelin. Schau nicht nach den Eichen, wenn du sie nicht liebst. Schau dir keinen Mann schön, wenn du ihm nicht vergibst. Hilf den Zwergen Gold zu graben, doch dann lass alles stehn, sie könn‘ sonst nicht mehr singen und nicht mehr nach dir sehn. Wenn einst am Tage die Nachtvögel schrein … Du bist so wie ich – mal gierig, mal wild, mal zärtlich, mal scheu, bist mein Spiegelbild, mal böse, mal hart, mal verloren, mal still. Du bist mein Widerpart! Wenn einst am Tage die Nachtvögel schrein, find ich mich wieder oder du bleibst allein. Ich hab mich ’n Leben gefragt, wer ich bin. Nimm mich heut noch zur Frau. Ich bin ’ne Nachtvögelin.

(Die Nachtvögelin) Text: Andreas Hähle

Andreas Hähle (* 12. November 1967 in Borna bei Leipzig – † 24.04.2019) war ein deutscher Dichter, Sprecher und Moderator.

Andreas Hähle hat den Kampf verloren.

Wir trauern mit Lika Hähle (Leipzig) um Andreas und sind mit guten Gedanken in der Erinnerung und mit Liebe und Klarheit bei den Hinterbliebenen. Es herrscht dort jetzt Idylle im Krieg, so jedenfalls einer der unglaublichsten und schönsten seiner vielen Songtexte.

Ruhe in Frieden, Andreas Hähle. Meine Verneigung. Mein Dank für Dein bedeutendes Schaffen. Eine 🌷 und mindestens drei 🖤🖤🖤


Idylle im Krieg – Dirk Zöllner (Die Zöllner) – Text: Andreas Hähle

Das Video zur Single des Die Zöllner Albums „Uferlos“ +++ Release: 1. Juni 2012 +++ Label: edel Content +++ Regie, Kamera, Schnitt: Jarek Raczek +++ Maske: Dominika Diaz Alonso +++ Produktion: yoko ono Produktionen +++ www.die-zoellner.de +++ www.facebook.com/dirk.zoellner

Lika Hähle schreibt zum Tod von Andreas Ableben am 25.04.2019 auf Facebook

Der Kampf ist beendet und verloren. Andreas ist gestern zum letzten Mal eingeschlafen. Zu Hause. Friedlich in meinen Armen. Ein Leben in Würde, ein Tod in Würde. So haben wir es gemeinsam entschieden, nachdem die Ärzte uns vor knapp zwei Wochen mitgeteilt hatten, dass seine Nieren erneut versagt haben. Fast ein ganzes Jahr Hoffnung nach der ersten Krebsdiagnose. Zwischendurch immer wieder herbe Rückschläge. Resignation und neue Hoffnung. Immer wieder. Hoffen auf ein Wunder bis zuletzt. Wie so viele Menschen hoffen bis zuletzt.

Danken möchte ich jedem Einzelnen von Euch. Für die riesige Solidaritätswelle, die uns getragen hat und meine Kinder und mich noch immer trägt. Andreas war ein Herzensmensch, ein ganz Großer. Er war ein Mensch, der andere Menschen verbunden und berührt hat. Mit Seele, mit Liebe, mit Geist, mit Warmherzigkeit. Und natürlich mit Worten. Mit scharfsinnigen Worten aus seiner ihm eigenen hähloiden Perspektive heraus. Weil er nicht nur reden und schreiben konnte, sondern auch zuhören. „Man sollte nichts ohne Warmherzigkeit tun“ – dieses Motto hat er gelebt. Gelebt bis zum Schluss. Und dieses Lebensmotto soll weiterleben weit über seinen Tod hinaus. Für uns beide war es überwältigend, Eure Solidarität in diesem Umfang zu erfahren. Dass all die Liebe, die er den Menschen sein Leben lang entgegenbrachte, zu ihm zurüchkehrte. Zu uns. Tausendfach. Wir fühl(t)en uns geliebt. Dafür bin ich Euch unendlich dankbar.

Die letzten Tage haben wir noch bewusster als sonst miteinander verbracht, jeden guten Augenblick ausgekostet. Ganz für uns allein, nachdem sich seine und meine Familie von Andreas verabschiedet hatte. „Nur ein paar Tage“, so lautete die erschütternde Prognose der Ärzte vor 12 Tagen. Der Tod ist seit fast einem Jahr unser ständiger Begleiter. Immer drohend nah, aber nun sollte er unabwendbar zwischen uns treten. Andreas war – nein IST – die Liebe meines Lebens und ich die seine. Wir haben erst spät zueinander gefunden und uns eine sehr lange, sehr glückliche Zukunft miteinander ausgemalt. Als uns bewusst wurde, dass unsere gemeinsame Zeit hier auf Erden sehr knapp bemessen sein wird, wünschten wir uns wenigstens noch einen einzigen gemeinsamen Sommer, den wir auf dem Land verbringen wollten. In dem Häuschen, in dem wir ursprünglich mal alt werden wollten. Im Sommer beabsichtigten wir, noch einmal zu heiraten. Diesmal ganz allein, nur für uns beide. Ein Liebesschwur sollte es werden, der uns über den Tod hinaus auf ewig miteinander verbindet. Wir hatten keine Zeit mehr, der Sommer war uns nicht mehr vergönnt. Am Montag vor einer Woche aber, dem ersten sonnigen warmen Tag nach langer Zeit, wurde uns DER perfekte Sommertag geschenkt. Schon morgens fuhren wir raus aufs Land, teilten uns einen Erdbeertraum – Eisbecher mit Sahne und extra Eierlikör und einen Lumumba in der Eisdiele. Andreas bekam einen ganz roten Kopf vom Rum in der Schokolade. Alkohol war er nicht mehr gewohnt, wie er auch Essen nicht mehr gewohnt war. Später – im Sessel sitzend vor unserem Häuschen – besiegelten wir unseren Schwur mit Mythos – unserem Bier seit Korfu. Und am Nachmittag noch ein zweites geteiltes Mythos mit Zigaretten auf dem Balkon. Ein perfekter Sommertag eben, den Andreas trotz schwindender Kräfte erstaunlich gut verkraftet hatte. So hatten wir ihn uns gewünscht. Und ihn so erlebt haben zu dürfen, dafür bin ich sehr dankbar.

Andreas Hähle (Quelle: Homepage Andreas Hähle) extern eingebunden
Andreas Hähle (Quelle: Homepage Andreas Hähle) extern eingebunden

Heute Morgen, Liebster, bin ich neben Dir aufgewacht, hab Dir einen Kuss auf die schon kalte Haut gehaucht und mir einen Kaffee gekocht. Eine halbe Kanne. So wie Du es für mich getan hast jeden Morgen. Als Du es noch konntest, Du selbst aber schon längst keinen Kaffee mehr getrunken hast. Die Vögel draußen singen, wie sie gestern sangen. Mit meiner Tasse Kaffee sitze ich ohne Jacke auf dem Balkon bei meiner Morgenzigarette. Es wird ein sonniger, warmer Tag werden. Wie gestern, als Du kaum mehr mit mir sprechen konntest, mich aber zärtlich gestreichelt hast. Wir beide wussten, dass es unser letzter Tag werden würde. Du hattest noch so viel vor in diesem Leben, hattest so viele Ideen, obwohl Du schon schwer krank warst, hattest noch so viel zu sagen. Nun bleibt Dein neuer Roman unvollendet, das Vorwort zum Punkgott, welches schon fertig in Deinem Kopf war und Du mir diktieren wolltest, Dir aber die Kraft dafür fehlte, ungeschrieben. Ungeschrieben bleibt auch das letzte Liebeslied für mich, auch bereits fertig in Deinem Kopf. Die Wahnsignale werden nun von Dir nicht mehr eingesprochen werden. Du fehlst so sehr.

Ein schwarzer Vogel fliegt krachend gegen eine Fensterscheibe und stürzt mit einem dumpfen Aufprall in die Büsche im Hof. Ich muss mit dem Rauchen aufhören. Das wollten wir eigentlich gemeinsam schaffen. Du und ich. Nun muss ich da allein durch. Wie ich so Vieles nun allein bewältigen muss. Dein Geist wird über mir wachen, wie Du es mir versprochen hast. Mich beschützen. Von Deinen unermesslich großen Schmerzen bist Du nun endlich erlöst. Das ist ein Trost. Mit meinem tiefen Schmerz werde ich klar kommen. Für Dich. Für uns. Für meine Kinder. Den Namen Hähle werde ich in Ehren halten und all das, was Dir wichtig war. Das verspreche ich. Doch wenn meine Zeit dann irgendwann kommt, wird mir das Loslassen nicht so schwer fallen wie Dir. Dann werde ich wieder ganz bei Dir sein. Du wolltest bleiben. Du wolltest bleiben für uns.


Schnee überm See (Text Andreas Hähle)

„Schnee überm See“ – Wolfgang Becker & Christoph Keisers Komposition: Wolfgang Becker Text : Andreas Hähle http://www.beckerkeisers.de Die Musiker Wolfgang Becker & Christoph Keisers teilen seit vielen Jahren die Spielfreude und die Leidenschaft für handgemachte Musik in vielen Facetten, mal laut und herb, mal leise und feinfühlig, einfach so wie „Herbes Glück“. …gekürzt…. und fokussiert auf: „Der Texter Andreas Hähle ist vorwiegend als Textautor für verschiedene Bands und Interpreten wie Dirk Zöllner,Unbekannt verzogen, Liasong, Fährmann u.v.a. in Erscheinung getreten. Zudem ist er Redakteur und Moderator der Sendung „Wahl-Lokal“ auf Rockradio.de. Er tritt hauptsächlich mit Kinderprogrammen, aber auch mit verschiedenen Programmen für Erwachsene gemeinsam mit verschiedenen Musikern auf. Bisher erschienen „ und schuld an allem ist das Leben, die Sau…“ im Endzeit-Verlags-Körper . http://www.andreas-haehle.de“

Nun geht das Leben erstmal weiter für uns, die wie noch hier sind. Meinen Kaffee habe ich heute Morgen selber gekocht. Kleine Schritte. Noch eineinhalb Stunden hier mit Dir, bis Du abgeholt wirst. Das Leben geht weiter und es tut so unendlich weh. Aber ich bin voller Dankbarkeit, Dir begegnet zu sein und Dich glücklich gemacht zu haben. Dank Dir habe ich kennenlernen dürfen, was Liebe wirklich bedeutet. Liebe – der Sinn allen Seins. Das zwischen uns war groß. IST groß und wird es immer bleiben.

Auf ewig die Deine. So haben wir es uns geschworen.

Lika Hähle

(Ende Zitat)

Grit Maroske schreibt am 25.04.2019 zum Tod von Andreas Hähle auf Facebook

(Zitat)

Mein Freund, es ist so weit. Du hast dich auf deine letzte Reise begeben. Ich will versuchen, dir, dem König der Worte, ein gebührendes Geleit zu geben. Ich will versuchen, das Unbeschreibliche zu beschreiben, das Unfassbare fassbar zu machen, das Ungesagte auszusprechen.

Vor wenigen Wochen begegneten wir uns das erste Mal. Wir “kannten” uns ja seit Jahren nur über Facebook, durch Telefonate und Mails. Ich ahnte, es würde auch das letzte Mal sein. Ich sah die Müdigkeit in deinen Augen, ich sah deine Hände, zu schwach, um eine Zigarette zu drehen, ich sah deine Schultern, gedrückt von der Last der Schmerzen. Und ich sah auch deine Lust, dem Leben noch das letzte bisschen Lebendigkeit abzutrotzen. Ich sah deinen Optimismus, der sich nicht brechen ließ, ich hörte, wie du Pläne machst und ich fühlte, wie sehr du daran glauben wolltest, dass sie wahr werden würden.

Du, der vom Krebs zerstört wurdest und der immer noch philosophierte, Verse schmiedete, Texte verfasste und so ein Stück Unsterblichkeit schaffte.

Du, der du oft Menschen, die sprachlos vor Trauer waren, die richtigen, die tröstenden, die passenden Worte sagen konntest, um sie aufzurichten, der mit einer Grabrede Menschen zum Lächeln bringen, der Liebe und Verlust verstand und deshalb verständlich machen konnte – feinfühlig und feingeistig gleichermaßen.

Du, der in Momenten tiefster Ergriffenheit Menschen, die sich das Ja-Wort für´s Leben gaben, die Tränen der Rührung in die Augen trieb, weil du ihre Liebe in klugen, warmherzigen Worten ausdrücken konntest.

Du, der du mit Texten auf Facebook immer wieder ins Schwarze getroffen hast, du, der du aus profanen Gedanken Lyrik schaffen konntest, die Menschen inbrünstig mitgesungen haben.

Du, dessen Stimme unzähligen Menschen bei deinen Lesungen und Radiosendungen wohlige Schauer beschert hat.

Du, dessen schwere Krankheit hunderte Menschen so bewegt hat, dass sie zu einer starken, solidarischen Gemeinschaft zusammenwuchsen, um dir deine Lebenszeit zu erleichtern.

Du, der immer an Politik interessiert war, der gerne noch eine echte Revolution angezettelt hätte, der eine gerechtere, sozialere Welt erträumte.

Du, der die Liebe gesucht, manchmal gefunden und wieder verloren hast und der am Ende in Liebe gehalten und beschützt wurde von deiner wunderbaren, liebevollen Frau.

Du wirst schmerzlich vermisst. Als Ehemann, Vater, Freund. Als Kollege, als Texter, als Autor. Als Redner und Träumer und Philosoph. Niemand wird dich ersetzen können. Du wurdest geliebt. Ich bin dankbar, dass dieses Leben, das du so sehr festhalten wolltest, uns beide zusammengeführt hat. Dankbar für unsere Freundschaft, für deine Ratschläge, deine Gedanken, die du mit uns geteilt hast, dankbar für die Lieder und Bücher, die du uns hinterlassen hast. Du warst ein freier Geist, eine schöne Seele und ich hoffe, du bist in dem Bewusstsein gegangen, dass du nicht vergessen wirst. Ich bin dankbar, dass du mir noch sagen konntest: “Ich hab dich sehr lieb. Nicht, weil du für mich tust, was du tust, sondern weil du so bist, wie du bist.” Ich bin dankbar dafür, dass ich dir noch sagen konnte, dass auch ich dich lieb habe.

Es ist ein schöner, sonniger Frühlingstag. Die Sonne scheint auf mein Gesicht, ich höre den Wind säuseln, ich rieche das Grün und ich bin blind. Die Tränen machen mich blind. Ich halte mein Gesicht in die Sonne, recke es den Wollen entgegen und lächle unter Tränen.

Als ich dich besuchte, umarmtest du mich und sagtest zu mir: “Ach du Verrückte! Dich möchte ich ja auch nicht geschenkt haben!” und ich antwortete: “Ich würde mich auch nicht geschenkt wollen!” Wir lachten alle und waren einen Moment lang nur fröhlich und lebendig und hatten uns lieb und genossen die Idylle im Krieg.

So will ich immer an dich denken. Voller Liebe. Ich wünsche dir Frieden.

Grit Maroske

(Ende Zitat)

Am Ende las ich mit ein paar Tränen in den Augen tatsächlich, Andreas Hähle sei ein Liebewesen gewesen. Da waren die Äuglein Äpfelchen wie Feuchtgebiete: Moistureoiden.

Machs gut, Andreas Hähle.

#Update

Heute – am 26.04.2019 – frage ich mich, wer einem so versierten zu Tode gekommenen Trauerredner, wie Andreas Hähle einer war, wohl die Worte zur Begleitung anheim stellen kann, die sein Vermächtnis dann noch überträfen? Ich weiß es nicht: Ratlosigkeit.

Weiterführend

 

 

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