Wings of Desire – Little Person
Dem Schauspieler Bruno Ganz kann man Verdientheit um Berlin nachsagen. Wie sich in Wort, Tat und Bild recherchieren lässt. So nimmt es nicht Wunder, wenn diese musikalische Website ein kurzes Abschiedsrequiem aus Worten komponiert, sich an Bruno ganz und gar wendet und Liebe und Zuneigung auf den Hingeschiedenen regnen lässt. Auch wenn der Tod zu erwarten ist: Es lässt uns tief getroffen zurück. Liebe, Licht, ewiges Leben, Bruno Ganz. Ein lautes Wehklagen, ein Chapeau.
Mitten aus dem geteilten Berlin der Nachkriegsjahre trifft schwarzweiß ein Gros ohnefarbener Bilder ein. Farbfernsehen, Schrei der Moderne und man brauchte Willy Brandt, um es anzuschalten, auf der Funkausstellung prähistorischen Datums unter dem Funkturm, Berliner Messehallen. Hätte Brandt gewusst, dass das Privatfernsehen anrichtet, er hätte den Schalter niemals umgelegt. Brandt hatte Geschmack. Erst war jetzt alles bonbonfarben, aber dann. Wim leitete die Wenders ein, noch fünf, sechs Jahre vor der Wende in Deutschland halb und halb – die Likörfabrik Mampe wurde abgewickelt und dass alles besser werden würde, erschien uns nicht gänzlich unmöglich. Der Himmel über Berlin ist seit den Achtziger Jahren cinematografisch verfilmt. Es wurde alles besser, mit der Zeit. Wir bekamen den Bruno präsentiert und nach und nach kochte er uns gar. Ganz und gar.
Jahre zuvor hatte Bruno Ganz bereits Unsterblichkeit erlangt, als Jonathan Harker in Werner Herzogs Nosferatu-Verfilmung, mit Klaus Kinski, dem Töchterschänder mit Erdbeermund, dem Fitzcarraldo der kompletten Unberechenbarkeit. Bruno Ganz wusste daher halbwegs in scheinfriedlicher Koexistenz mit einem Monster nebeneinander her zu spielen. Niemand wusste Genaueres. Die Welt ist längst banalisierter: Dem Fitzcarraldo wurde der Hut gegeben. Wir hören jetzt Radio Fritz.
Genauer als Kinskis Leben war bekannt, was der österreichische Gefreite Adolf H. aus Braunau für ein Bösewicht war, den Bruno Ganz viel später überzeugend wie kein Anderer gab. Es war der Anfang vom Ende, vom Untergang. Es war das Ende vom Anfang, eine solche Person zu spielen, wie es überhaupt keinerlei Grenzen zu geben schien für diesen Schweizer Bruno Ganz aus Zürich. Er war feinfühlig, süffisant, leise, fast lauernd, ein großer Schelm, dem man das Schelm sein aber erst anmerkte, wenn man in der Lage war, lange genug darüber nachzudenken. Er konnte alles schauspielern, er ließ nichts meistern, selbst war der Meister. Er, der Dreh- und Angelpunkt jeder Szenerie, der Grund, genauer hinzuschauen, alles um uns herum zu vergessen und weg zu drängen und sich ganz und gar filmischen Handlungssträngen hinzugeben.
Mein Engel, Bruno. Ich werde Dich vermissen.
Ich geb sie nur her zu ganz besonderen Anlässen: Ich stelle Dir diese schwarze Tulpe hin.
Ich geh weinen.
Weiterführend
* Bruno Ganz – 1941 bis 2019 (Ehrenbanner)
* U2 – Stay
* Nick Cave – Cassiels Song
* Dirty Three feat. Nick Cave – Sea above, Sky below
* Nick Cave: Null ist auch nur eine Nummer
* Anderer Thread: Zum Wirken und Leben von John Lennon
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