Do. Mrz 28th, 2024
MSP - Meinungen, Statements, Positionen!

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MSP - Meinungen, Statements, Positionen!

Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt,
sagt sie Welt, dass er zu früh geht.
Wenn ein Mensch lange Zeit lebt,
sagt die Welt es ist Zeit, dass er geht.

Es ist so weit. Jetzt haben die Puhdys (vermutlich) ihr letztes gemeinsames Konzert gegeben. In einem Statement, das über soziale Netzwerke verbreitet wurde, bedankt sich die Band für ihren langjährigen Erfolg, der mit der Treue ihrer Fans direkt zu tun hat. „Wir werden Euch immer in guter Erinnerung behalten“, schreiben sie, an ihre Fans gewandt. Inzwischen gibt es auch Feedback: Gemeint ist nicht das Verstärker übersteuern. Ein paar sagen in Erinnerung an früher: „Das wurde jetzt aber auch Zeit, dass sie gehen.“ Andere wünschen sich, dass die Rolling Stones das endlich auch machen. Verwirrend.

Die Puhdys werden ihre Fans in guter Erinnerung behalten: Vermutlich ist es bei vielen Fans auch umgekehrt. Wie immer, wenn es um Musik geht. Love & Hate.

Die Puhdys verkörperten, wie kaum eine andere DDR-deutsche Rockband, den besonderen, anderen Weg, den ostdeutsche Musiker zu gehen hatten. Und sie gingen den Weg äußerst erfolgreich. Dabei war ihr Erfolg durch und durch politisch und resultierte zunächst aus starken Anleihen der Musiker dieser Band bei Vorbildern wie Deep Purple, Uriah Heep & Co.. Westmusik, von drüben. Vieles aus den frühen Jahren der Band ist eindeutig eine Liebeserklärung an diese Art von freier, westlicher Musik.

In ihrem eigenen Fokus DDR musste sich die Band jedoch anpassen. So wenig es ging. Man war durchaus systemkritisch. Und soviel gerade noch erlaubt war, lief dann im Radio. Aber wie. Unglaublich erfolgreich.


Puhdys – Wenn ein Mensch lebt 1977

Puhdys – Wenn ein Mensch lebt 1977
Erster Fernsehauftritt in der BRD – Original von 1973
(Aus dem Film ‚Die Legende von Paul und Paula‘)

Wenn ein Mensch kurze Zeit lebt,
sagt die Welt, dass er zu früh geht.
Wenn ein Mensch lange Zeit lebt,
sagt die Welt es ist Zeit ..

Meine Freundin ist schön,
als ich aufstand ist sie gegangen.
Weckt sie nicht, bis sie sich regt,
ich habe mich in ihren Schatten gelegt.

Jegliches hat seine Zeit,
Steine sammeln, Steine zerstreun,
Bäume pflanzen, Bäume abhaun,
leben und sterben und Streit.

Mit der Filmmusik zur Legende von Paul & Paula und Wenn ein Mensch lebt (1973) wurden sie zu einem ernstzunehmenden Außenhandels- und Wirtschaftsfaktor für das Politbüro der DDR. Sie durften reisen.

Genau das hat ihnen bei vielen DDR-Bürgern Abneigung und Groll entgegen gebracht. Viele haben dies bis heute nicht vergessen. Für viele DDR-Oppositionelle waren die Puhdys zu glatt, zu angepasst, zu sehr dem Politbüro angedient. Fast ganz Angestellte im Staatsdienst: Willfährig, dem Politbüro wohlgelitten. Schmarrn. Wie häufig in diesen einzuschätzenden Konstellationen war es nicht die Gruppe selbst, die Schlimmes verzapft hat. Die Puhdys wollten doch nur spielen.

Bye bye … es ist Zeit zu gehen. Gestern fand in Schwarzenberg unser allerletztes Konzert statt und wir möchten uns an dieser Stelle bei allen Fans für die jahrelange Treue bedanken. Wir werden Euch immer in guter Erinnerung behalten … – Die Puhdys auf facebook, gestern

Man kann einer Gruppe von Musikern aus Leidenschaft kaum vernünftig vorwerfen, sie hätten Musik machen wollen. Ja, selbstverständlich wollten sie das. Und sie taten es gut, mit Bravour. Sie reihten Hit an Hit und blieben im Grunde aufrechte Streiter für das Schöne und Liebenswürdige im ersten sich sozialistisch nennenden Deutschland. Doch wie in George Orwells Parabel Farm der Tiere hatte sich ein Schweinesystem etabliert als herrschende Kaste des Politbüro und wachte streng und unerbittlich: Alle sind gleich, aber einige sind gleicher.

Die Puhdys schufen wie wenige andere weitere Bands immer weitere Meisterwerke mit kompositorischer Finesse und nachhaltigem Hitcharakter. Im sozialen Netzwerk facebook begründet ein Mann seine Ablehnung gegen die Puhdys wie folgt:

Wird aber auch wirklich Zeit, ich mochte die vor 40 Jahren schon nicht. Es war eben eine von der SED privilegierte Band, die damals sämtliche Rechte & Möglichkeiten hatten, die ein normalsterblicher Ossi nicht hätte. – Daniel D. H., gestern auf facebook

Ich erwähnte es oben, ich wiederhole es, die Puhdys sangen 1973:

Wenn ein Mensch lange Zeit lebt,
sagt die Welt es ist Zeit, dass er geht.

Wir können uns Jahrzehnte später und im Sumpf unserer eigenen inneren Ablehnung von Künstlern wie diesen kaum daran erinnern und doch sagt, wer behauptet, es werde nun aber wirklich auch Zeit, dass sie gehen, nichts anderes, als was die Puhdys 1973 schon vorsichtig vorausgedacht hatten. Hier mal ein kräftigen Schluck Ovolmatine, damit gurgeln und nachdenken.

Der Gedanke von Feindlichkeit gegen die Puhdys an und für sich trägt bei genauerer Betrachtung die Gemengelage nicht überzeugend: Der Grund für den Sonderstatus der Band war ihre Popularität. Man mochte ihren erarbeiteten Status nicht, neidete ihnen die Reisemöglichkeiten und, dass sie weit herum kamen. Damit konnte sich kein vernünftig denkender DDR-Bürger identifizieren. Deswegen waren die Puhdys auch systemaufrührerisch anders: Sie legte mit ihren Reisen Finger in die Wunden einer umzäunten „demokratischen Republik“ mit Maschinenpistole im Anschlag und Schäferhundlaufleinen an der innerdeutschen Grenze. Hiergegen, gegen den ganz großen Erfolg von Puhdys und Karat und Co. führten jene zurückgebliebenen, ihrer Freiheit beraubten DDR-Bürger Klaus Renft ins Feld, der mehr gelitten hatte und früher gescheitert war, ehrlicher, direkter, und gar nicht erst gen Westen reisend. Die Sache mit Renft war anders: Deren Musiker gingen teils in den Westen, um dem unmenschlichen Verfolgermodus der Staatssicherheit zu entfliehen. Die Puhdys durften sogar wiederkommen.

Sie waren die Lieblinge der Staatsführung was Rockmusik anging. Die wurden gefördert, durften ins NSW, hatten Marschalls, Fender etc. was es im Osten nicht gab. Das war ähnlich wie heute bei DSDS. Den Status „Superstar“ mußt du dir da nicht erst verdienen. Gewinne die Show & du hast diesen Status. Das war bei den Puhdys, Karat und noch ein paar anderen DDR- Rockbands genau so. – Daniel D. H., heute auf facebook

Die Puhdys hatten für ein solches Verhalten keinen Grund. Es mangelte ihnen an nichts aber sie strichen auch nichts ein, das man für Schweigegeld halten mochte. Genau wie alle anderen Ostmusiker gaben sie regelmäßig beim Komitee für Unterhaltungskunst ihre Songtexte ab, genau wie alle anderen fanden die Puhdys Textwendungen, die man zwischen den Zeilen lesen konnte, die einen wie Espenlaub beim Grunderschüttern treffen sollten. So wie Silly und Werner Karma, die Texte von so unglaublicher Schönheit schufen. Und so, wie die Menschen „Als ich fortging..“ für sich vereinnahmten, war das System insgeheimer gedanklicher Republikflucht. Dabei wollten viele gar nicht flüchten, sondern nur mal verreisen.

Die Puhdys haben sich nichts vorzuwerfen. Ihr Erfolg währte jahrzehntelang, ihre Verehrung für gute, eigene Musik war durchsetzt mit dem Willen, erfolgreich aufzutreten und in einer Republik menschenwürdiger zu leben, die ihre Systemfeinde gern einsperrte.

Halten wir also noch einmal abschließend fest:

Was auch immer DDR-Bürger den Puhdys vorgeworfen hatten: Es war kein Vorwurf an die Band und ihre Musik selbst. Das mag ich oder das mag ich nicht. Was man über die Puhdys als Systemkritik ausgoss, galt vielmehr dem DDR-Unrechtsstaat, also jener Seite eines nachweltkriegsdeutschen besseren Deutschlands, das man einst schuf als Sozialismus-Modell, und das erst mit Funktionären, Staatssicherheit und totaler Überwachung zu einer unmenschlichen, schlechteren Variante eines gutgemeinten Sozialismus wurde. Die Kritik an dem Wirken der Puhdys war stets eine Projektion der gesellschaftlichen Verhältnisse auf jene, die mit Erfolg und als Ausnahmeerscheinung hiergegen scheinbar mühelos anspielten.

Das Sozialismus-Modell ging in der DDR nicht auf, weil der Partei- und Nomenklaturapparat das Grundansinnen der besseren deutschen Republik in den Würgegriff der gesellschaftlich totalradikalen Umformung nahm. Die Puhdys hingegen schufen, was Udo Lindenberg im Westen als Bunte Republik Deutschland bezeichnete.

Der Autor bedankt sich bei den Puhdys und hat sie stets von Herzen geschätzt als gute Musiker, talentierte Hitschreiber, ja als gesamtdeutsches, liebenswürdiges Inventar gesamt Deutschlands. Als Wessi halfen mir die Puhdys, die DDR-Bürger besser zu verstehen und ich lernte mit den Puhdys dran zu bleiben, fasziniert zu sein von dieser anderen, der ostdeutschen Lebensrealität. Die Puhdys haben mich immer begleitet, ich verlor sie nie ganz aus den Augen und ich bin ihnen für viele, viele ihrer Songs sehr,  sehr dankbar.


He_John_1982

Der Song He John aus dem Jahr 1981 ist eine Liebeserklärung: Die Puhdys verneigen sich mit Grandezza 1982 in der Westberliner Waldbühne vor dem Wirken, dem Leben und der Persönlichkeit von John Lennon (Beatles). Danke für diesen Song. Ein verrauschtes, nicht ganz bildfehlerfreies Bildmaterial. Aber Gänsehaut, wer sich erinnert.

Das habt Ihr ganz großartig gemacht.

Mit Jürgen S. aus Berlin-Sp. genoss ich round about 1982/3 Karats Der Blaue Planet und wir texteten sinngemäß um: ‚Uns hilft kein Gott, unsere Welt zu verwalten.‘ – Mein Chapeau. ‚Verneigt Euch tief und soweit es geht, vor dieser herrlichen Majestät.‘ (frei zitiert aus dem Schwanenkönig einer anderen ostdeutschen Band)

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