Sa. Apr 20th, 2024

Header Wunderbare Welt der Kleinanzeigen

Jeder trägt einen anderen inneren Hund mit sich herum. Hier beschreibe ich einige davon. Und auch meine…

Trude Herr sang „Ich bin morgens immer müde“. Der Song ist jetzt auch Jüngeren bekannt, weil Laing aus Berlin den Song neu aufgenommen haben. Damit wurde er zu einem (neuen) Hit. Die Frauen machen das mit Klasse.

Ein richtiger Ohrwurm.

Bei Musikern kann es aber auch anders rum sein. Z.B. wenn sie sagen: „Ich bin abends immer müde“.

Jimi Hendrix: "Knowledge speaks, but wisdom listens"
Jimi Hendrix: „Knowledge speaks, but wisdom listens“

Hans-Peter (* Name geändert) ist so einer.

Er hat eine Soundcloud ins Netz gestellt und was er dort hinterlegt hat, klingt ziemlich durchdacht. Er ist Keyboarder und hat mindestens drei Frauen an die Voicings der Stücke geholt, z.T. Satzgesang. Gute Stücke. Richtig auskomponiert. Nichts von wegen Schrammel, Schrammel und bisschen zwangsläufige Gesangslinie.

Nein, das ist Musik von A bis Z. Er nennt es Glamrock, ich selbst würde es teils als Glamrock bestätigen wollen. Teils geht es darüber deutlich hinaus. Es ist gute Musik.

Aber der Mangel an Gelegenheiten.

So eine Soundcloud ist ein Angebot, etwas zu hören und es gut oder schlecht zu finden. Oder so lala. Ich find´s gut, was ich höre. Eigentlich will ich mich gar nicht drum kümmern, denn es macht auf mich so einen Eindruck von: „Da ist ein Alphatier, paar Jahre jünger als ich auf jeden Fall“ und so „Augsburger Puppenkiste“. Sucht er Marionetten? Handspielpuppen, die hinter einem darüber aufgehängten Vorhang mit Strippen gezogen werden. Man muss eine Partitur studieren, die die Stücke nota bene beschreibt. Es ist genau das, was Musiker im Rock- und Popbereich eigentlich kaum können. Sie hängen Gedanken nach vom Weltruhm, aber das der sich nicht einstellt, liegt an den puren Wunschgedanken. Sie lauten sinngemäß: Möglichst wenig üben, hart arbeiten und möglichst schnell viel Erfolg. Dass das sich gegenseitig im Weg steht? Na klar.

Individualismus. Sich selbst ausdrücken wollen, spielen, was man spielen will und „frei sein“, endlich frei sein. Hiergegen punktet das Konzept von Hans-Peter, der in Wirklichkeit ganz anders heißt. Er sucht schon eine ganze Weile, verraten mir seine digitalen Spuren im Netz. Entweder gibt es sich nicht zufrieden mit denen, die sich ihm anbieten. Oder niemand bietet sich an. Oder niemand ist gut genug? Ich weiß es nicht.

Dass er Leute sucht, wie z.B. Schlagzeuger. Das ganze „Wortgewichse“, um etwas per Kleinanzeige zu beschreiben, das am Ende doch nur gute oder schlechte Musik darstellt, geht mir gehörig auf den Docht. Sehr schnell ziehe ich das Fazit: Möchte ich telefonieren, oder möchte ich es lieber lassen. Das Demo in der Soundcloud reicht mir aus zu sagen, das ist ein ganz interessantes, gekonntes Projekt, man hört, dass das was werde könnte, in das man sich gern einbringt. Weil es einen fordert. Aber wird das wirklich jemals ein Gruppenprojekt, oder ist das Egomanie, geboren aus Genie und guter Kompositionsgabe und schon jetzt ganz gut anhörbar?

Ich will telefonieren. Dieser Tage habe ich viel zu tun. Wir sind über facebook in Kontakt und wieder einmal versuche ich, mit PMs (persönlichen Mitteilungen) jemandem zu echten, menschlichen Kontakten zu bewegen. Und – oh Gott – wie häufig ist das wirklich schwer. X-Media, Mediacrossing, vom virtuellen Scheintod herüber zu switchen zum analogen Telefongespräch, eins zu eins, direkt, Rede und Antwort, aber auch Nachfrage und nicht nur einsame Selbstdarstellung. Rausfinden, was geht.

Ich versuche, ein Uhrzeitfenster aufzustoßen, frage ihn: Jetzt, kurz mal telefonieren? Es ist so 21.30 Uhr. Er sagt immer so scheinbar freundliche Antworten in der Art von „Telefonieren, ja sehr gern!“ aber schiebt nach: Ich bin abends nach 21 Uhr oft so platt vom Komponieren, lieber morgen, tagsüber. Wir kommen nicht auf einen Nenner. Morgens, tagsüber, jage ich fleißigem Tagesgeschäft nach. Ich will auch nicht mobil telefonieren, zwischendurch, weil ich das an der Supermarktkasse zwischen Schinken und Salami nicht konzentriert genug kann. Jegliches hat eine Zeit, Telefonieren auch.

Es gibt keinen Kompromiss. Ich verstehe auch Menschen nicht, die generalisierend sagen: Abends ab 21 Uhr telefoniere ich grundsätzlich nicht. Ich stelle mir dann Bandproben mit so jemandem vor und seine Idee, die Bandproben immer um 20:30 Uhr enden zu lassen. Time to go to bed now, folks. Das ist doch irre.

Rockmusiker mit ausgewachsenem Schlafbedürfnis sucht Ruhezone zwischen Bandproben, bitte meldet Euch morgens zwischen 9 und 9:30 Uhr, das ist meine kreativste Tagesphase. Aber bitte nicht zu laut!

Bei mir ist es vollkommen anders. Ich habe mehrere Phasen verschiedener Zeiten, die gleichberechtigt nebeneinander herlaufen. Abends zu telefonieren, um abzuklären, ob wir beide miteinander könnten, erscheint mir eine sehr gut gelungene Idee. Dass es heute und morgen Abend nicht klappt, geht mir auf jeden Fall rein, kann ich akzeptieren. Dass es aber generell nicht klappen soll, das zu tun, wirkt auf mich wie ein zu groß gespanntes Segeltuch von Verhaltensweisen und Denkverboten. Ich ahne schnell: Das ist ein ganz engmaschig festgelegter Mensch, der Verbote, Regeln und Maßregelungen auszusprechen gedenkt, damit sein von Gott gewolltes Musikprojekt in ganz genauen verhaltensmäßig niedergelegten Bahnen und Mustern zu voller Güte gelangt. In diesem Ort der Striktheit habe ich nichts verloren. Ich sage das ab.

Ich wünsche mir so viel Freiheit, dass ich noch atmen kann neben so jemand.

Ich kann mich irren, glaube das aber nicht. Ich sage ihm ab.

Ich bin morgens immer müde und am Abend will ich Spaß. Nicht umgekehrt.

_link Lotse

(EP)

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