Fr. Apr 19th, 2024
Essentials Okt. 2010 - Kommunikation in Band

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Die Band hat sich gefunden. Nun wird gearbeitet.

Schon seit geraumer Zeit ist das immerwährende Sessions machen auf Dauer unbefriedigend. Es soll auch mal irgendwas auf die Bühne. Nicht so was, wo die Leute nachher sagen, gut, dass es das gibt, aber wozu?

Also fordert der Gitarrist zu Recht einen Plan ein. Wir nennen es eine Playlist. Wir schreiben da Stücke drauf in Form einer Abarbeitungsliste. Es sind einige Covers dabei von so neumodischem Schnickschnack, der Sängerin zuliebe. Sie mag das gern singen, und wenn’s die Gefühle der anderen nicht verletzt, warum nicht?

Doch das ist die Theorie. Die Praxis ist, es in die Tat umzusetzen, denn woran ist der staatstragende Sozialismus letzten Endes gescheitert? Richtig: Einen Fünfjahresplan aufzustellen, den hinterher niemand erfüllen mag, das ….

Essentials Okt. 2010 - Kommunikation in Band

Bereits etwas ältere „Essentials“-Erkenntnis meinerseits zum „communication overflow“ im Bandzusammenhang. Wenn die Kommunikation kollabiert, ist das nicht witzig.

Ein ganz wichtiger Punkt ist die Soziologie des Alltags.

Alle Bandmitglieder sind mit einem von mehreren Herzen bei einer Sache, die sich Bandarbeit leistet. Sie findet auf den Proben statt. Doch was passiert zwischen den Probeterminen. Es gibt mehrere Möglichkeiten:

– Gar nichts. Das ist ein häufig anzutreffendes Phänomen.

– Vorbereitungsarbeit, das passiert schon seltener.

Wir haben mehrere, die durchaus ähnlich mitdenken und wichtig finden, dass was passiert. Einer schreibt Sachen zusammen, sucht Songtexte raus, bringt sie textlich in eine möglichst allgemein gültige Form mit Absätzen, Fettdrucken (für die backing vocals) und mit kleinen Regieanweisungen „Solo“ oder „jetzt drums“ bzw. „hier break“ undsoweiter.

Eine „Anweisung“ an die Sängerin vor vierzehn Tagen war: „Es fehlen bei Licht betrachtet noch zwei weitere, funktionierende Strophen“ in diesem Songtext-Entwurf, schreib noch zwei weitere hinzu.

Oder pass die anderen Textfragmente an die Sprachmelodie der ersten Strophe an, die im Proberaum bei ersten Versuchen schon sehr schön geklappt hat.


Led Zeppelin – Communication breakdown

© 2007 WMG. Led Zeppelin perform Communication Breakdown, live at the Royal Albert Hall 1970

Aber dann war sie so verwirrt, 14 Tage später. Gut, sie hatte den Textbogen nicht dabei, wo alles so drauf stand. Sagt was von „Das funktioniert doch alles nicht“ und schien verzweifelt. Da rief ich vorsichtig in Erinnerung, was ich vor 14 Tagen dazu geschrieben hatte und zeigte es auf meinem iPad vor.

Ach ja, da war doch was. Sie hatte es sich nicht einmal angesehen.

Die weiteren Stücke sind jetzt auch schon aufgeschrieben. Für den kommenden Probetermin hat der Keyboarder abgesagt, weil er private Gründe hat, nicht erscheinen zu können. Vor drei Tagen schrieb der Autor deswegen die anderen Bandmitglieder mehrfach an und fragte nach: „Wollen wir trotzdem proben?“ Antwort: Keine.

Eine Kopie der letzten Audioaufnahme von einem Playback hatte er noch verschickt an die anderen. Denn es war so besprochen worden. Die Sängerin bedankte sich noch kurz mit „Danke“ für das verabredungsgemäße Zusenden des Playbacks. Die Frage in derselben Nachricht, ob wir nun proben würden, ließ sie aber unbeantwortet.

Und nun rief der Drummer seinen Bassisten an und fragte nochmals nach. Der gab einige sehr gute Hinweise zum Monitoring von Nachrichten von Bandmitgliedern untereinander und riet dem Drummer sinngemäß: Lass es sein mit solchen verwirrenden Fragen. Lebe die Regel. Zelebriere selbst die Zuverlässigkeit und lass Proben ohne Rückfragen definitiv stattfinden. Soll sich doch der Gitarrist beweisen und vorzeigen, dass er den Keyboarder vollwertig ersetzen kann. Das hat er doch noch nie getan.

Das alles ist einleuchtend und wer zu kompliziert denkt, erfährt trotz fortgeschrittenem Alter: Es ist egal, was du zur rechten Zeit tust, wenn es nicht auf fruchtbaren Boden fällt. Dann lebe den Mangel, sei mit ihm und fasse dich in Zuversicht.

Irgendwas bewog den Drummer, noch kurz eine Email zu schreiben an die anderen und dabei nochmals kurz die aufgestellte Playlist an die anderen zu verteilen, ergänzt um einen Kurzhinweis, der Keyboarder komme ja nicht und also hätte der Gitarrist die in der Playlist aufgestellten Stücke entsprechend „tonal“ vorzubereiten.

Der Gitarrist antwortete diesmal recht schnell und schlug vor, die Probe am Freitag ausfallen zu lassen, weil der Keyboarder ja nicht da sei. Danke.

Dass nun aber die Sängerin gegenüber allen anderen mit einer Whatsapp-Nachricht auf selbem Wege verlauten ließe, sie werde daher heute Abend, am Donnerstag, nicht erscheinen, weil sie ja noch ein bisschen erkältet sei, fand der Drummer dann doch wieder bemerkenswert. Die Probe sollte Freitag stattfinden und war bereits klipp und klar abgesagt. Es war klar, dass die Probe nicht stattfindet.

Wir fassen zusammen: Bandarbeit ist schwierig und wer in einer Band zwischen zwei Probeterminen versucht, die Bandarbeit gut vorzubereiten und zu organisieren, ist im besten Fall ein „guter Mensch“, aber nutzlos unterwegs, wenn die anderen Bandmitglieder mit ihrem Kopf beim selben Projekt gar nicht genügend anwesend sind.

Eine bahnbrechende Erkenntnis. Freitag ist abgesagt, aber für Donnerstag sagt die Sängerin die Bandprobe ab.

Communication breakdown hieß ein Song von Led Zeppelin. Den widme ich jetzt diesen soziologischen Erfahrungen.

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