Do. Mrz 28th, 2024

Geistiges „namedropping“: Irgendwo eine Sendung namens „Wissen macht Ahhh“. Erinnerung nicht minder. „Living in the past“ (Jethro Tull), anstatt hier und heute. „Ich & Ich“ im Niemandsland von Miles Davis Memoiren, er sagt seinerzeit:

Da gibt es so viel über diese Musik zu sagen. Ich beabsichtige nicht viel zu erklären, denn das ist dumm, die Musik spricht für sich selbst …“ (Miles Davis, über sein Album Bitches Brew)

Heute ist der richtige Tag, einen der wenigen überhaupt noch anhörbaren Radiosender in Berlin und Umgebung zu rügen. Milde Medienschelte. Unterlassungssünde pur. Noch weitere „auf der Pfanne“, aber wer hat schon was von Generalabrechnung gesagt? Im Übrigen ist nun Fußball-WM, kein Thema dieser Website, aber es gibt Parallelen dazu: Es geht um 1:0, 1:1, 1:2, 2:1 undsoweiter…

Superboris: noch Fragen?
Superboris: noch Fragen?

Allerdings:  Nimmt man den Blackbirdianischen, einleitend bemerkten Tatvorwurf (Grafik) und addiert das Miles-Davis-Zitat hinzu, würde es spreewälderischer aussehen oder lübbenauanisch. Es wäre Essig mit dem Formatradioformat, Gewürzgurke pur und sauer und …es herrschte eine frappierende Stille im Formatradio. Das Nonverbale hätte vollständig obsiegt. Oder anders herum: Dudelfunk.

Moderatoren könnten abgeschafft werden, weil Miles Davis verboten hatte, über Musik zu reden. Sie solle für sich selbst sprechen. Manches Mal gelang es ihr, doch oft sind Schlüsselfragen der Musik nicht wie ein „offenes eBook“ vor uns liegend. Essenzielles bliebe uns für immer verborgen, würde man das kompetente Reden über Musik unterbinden wollen. Um aber nicht in den Stallgeruch eines minderwertigen Formatradioformats (…) zu kommen, sollte radioEINS beherzigen, dass für Erklärungen bzw. Erläuterungen zu großartigen Musikstücken der Weltgeschichte, wie dem Temptationsklassiker „PwARS“ (Akronym) immer die inzwischen anerkannte Medienformel 1:1 gelten muss.

Nachtrag aus Gründen der political correctness:

Als Mitglied der Gruppe „Beatles oder Rolling Stones“ (*)

McCartney (Gott)
Prince (Papst)
Michael Jackson (Ersatzpapst)
Stevie W. (Kurienkardinal, 1. Klasse)
Lena ML (süß, mehr nicht, Klasse Song)

(Quelle: facebook-Nachtdialog zwischen zwei Musikliebhabern, anonym)

(*) Hinweis der Redaktion: bei facebook gibt es eine solche Gruppe seit kurzem. Und ferner eine Spezialistengruppe: Musikerwitze! Das Beitrittsgebiet facebook ist allgemein bekannt.

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PwARS war von Anfang an eines der ersten Musikstücke, das marktweit gültig werdende Regeln beherzigte. Sozusagen „gefickt eingeschädelt“. Von Anfang gab es gleich zwei Versionen. Kenner aber auch Liebhaber des Stücks bestehen darauf, dass die 11 Minuten lange (long) Version (heute: extended) das Original ist und die Kurzfassung (7 Minuten) im Vergleich unwesentlich, mopsig, fade und lediglich nur ein Appetizer. Wurffraß vor die Füße einer sabbernden Meute. Nein, im radioEINS gilt 1:1: Ein 11 Minuten-Stück benötigt auch in den denkbaren Radio-Substraten Popsplits und „Musikanalyse“ 11 Minuten „mal drüber zu reden“ (Prof. Hartmut Fladt – hoch soll er leben! Der Mann kann was….). Genügend „headroom“, und um es mit Pink Floyd zu begründen:

Ticking away the moments that make up a dull day
You fritter and waste the hours in an offhand way.
Kicking around on a piece of ground in your home town
Waiting for someone or something to show you the way. (Hinweis der Redaktion: Schon hier wiesen Pink Floyd auf Prof. Fladts Notwendigkeit eindringlich hin!)
(Pink Floyd, Time – The Dark Side of the Moon, 1973) – Überlebenskonzept als Gegenentwurf zu Uriah Heep und „Easy livin“

Horst Schlämmer liebt Musikerwitze!

Ein Formatradioformat wie 1:0 (Verhältnis Musik, Redebeiträge) ist unerträglich und wird „Dudelfunk“ genannt. Das Verhältnis 1:1 (wie vor) ist hinsichtlich In A Gadda da Vida (Iron Butterfly), Just a Poke (Sweet Smoke), Bolero (Maurice Ravel) eher zu hinterfragen – Wie erklärt man einen Snaredrumwirbel mit Crescendo, ohne dass einem deswegen noch zusätzlich der Kamm schwillt? In Bezug auf den Temptationsklassiker Papa was A Rolling Stone ist jedoch das „pari pari“ von Wort und Musik unbedingt zu fordern! Nichts anderes gilt im übrigen für die notwendige, bislang unterlassene Würdigung des Albums „Journey through The secret life of plants“ von Stevie Wonder – für derartig bedeutende Stücke gilt „1:1“, und wenn die Sendung dann 88:23 Minuten dauern müsste, wen schert es, denn jeder muss Bescheid wissen. Weisse Bescheid? No doubt.

Weltberühmt, aber nie erschienen!
Weltberühmt, aber nie erschienen!

Abbildung: (Greatest Hits – On The Other Side of Earth –  Jimmy and the fabulous, famous & xtraordinary blackbirds.tv) – (Label: Rijeka Never Released Records, 2007)

Über Tokio Hotel-Alben oder den Oslo-Sieger einer Lena ML haben intime Kenner von Formatradioformaten einen 1:2-Fluch verhängt: Ständig wird darüber geredet, ohne dass sich die Bedeutung von derlei Musik nachhaltig erwiesen hätte. Im INFORADIO gilt die Popformel 0:1, weswegen man dorthin absichtlich schaltet, um von TH und Lena ML in Ruhe gelassen zu werden. Nein, die Forderung des Tages, gerichtet an den gutgemachten Radiosender radioEINS lautet: Gebt den bedeutenden Musikern mehr Professor Fladt, denn bei dessen Beiträgen ist es wie beim Handytelefonieren im Auto: Man muss unweigerlich rechts ran fahren, um gebannt zuzuhören und kann dem „Lärm der Welt“  nicht mehr aufmerksam genug folgen. Selbiges gilt für „Popsplits“, eine interessante Darbietung einmal vorausgesetzt. Popfan bleibt Popfan. Rockfan bleibt Rockfan. Funkfan bleibt Funkfan – und im Ergebnis trachtet letzterer nur nach einem: nach Funkfragen.

Berührende Werbung: Popfan bleibt Popfan! (Quelle: Radioberlin)
Berührende Werbung: Popfan bleibt Popfan! (Quelle: Radioberlin)

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Der Bücherprinz (Quelle: mugshooting.de)
Der Bücherprinz (Quelle: mugshooting.de)

blackbirds.tv regt auf und in diesem Zusammenhang ganze „Themenabende“ an. radioEINS & blackbirds.tv präsentiert: Im geschichtsträchtigen Spreerestaurant in der Köpenicker Straße, früher die Tarantel, wird ein Klavier aufgestellt. Professor Hartmut Fladt erklärt uns vier bedeutende Stücke der Musik-Weltgeschichte mit Beispielen (Themenliste liegt hier parat). Ein paar Popsplits werden „handverlesen“ dazwischen gestreut. Dies alles gewürzt mit „den Berliner Erinnerungen“ des Buchautors Wilhelm Ruprecht Frieling, der über ‚Apo, Sex und Rockn Roll“ im Berlin der Sechziger, Siebziger und … berichtet. Dazu gibt es Spargel aus Beelitz, angerichtet vom Inhaber des Spreerestaurants Andreas Kauf. In der Ehrenloge sitzen die geladenen Gäste vom Tisch des Grauens im Kreuzberger Yorckschlösschen. Sie erzählen uns, was man vor dreißig Jahren tun musste, um als Szenegastronom in Berlin-Kreuzberg Fuß zu fassen. Der facebook-Stammtisch „Musikerwitze“ in der anderen Ecke vom Spreestern erzählt sich einen. Hier merken wir spätestens: Formatradioformat erfindet sich immer wieder neu, mixt sich mit anderem Sendematerial  und alles zusammen geriert zu „Geschichte in Augenblicken„.

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Weiterführend

5 Gedanken zu „187/10: Blackbirdianisches Wissen: radioEINS hat gründlich versagt, zum Formatradio, zur FußballWM!“

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