Do. Mrz 28th, 2024


(Nachvertones Kentucky schreit ficken via Youtube)

Ein Proberaum, das ist ein uns sehr vertrauter, heimeliger Ort, an dem wir uns wohlfühlen wollen und wo wir eine gewisse Lebenszeit verbringen. Wenn mehrere Proberäume aneinander aufgereiht liegen, z.B. in einem Keller, sprach man in Berlin früher schnell von einem Proberaumzentrum. Beispielsweise gab es bis zur Auflösung desselben in der Weddinger Brunnenstraße das Olof-Palme-Jugendzentrum, zu dem neben sechszehn Proberäumen auch ein Studio und ein Veranstaltungssaal gehörte. Es wurde mittlerweile geschlossen. Schade.

Der Dunstkreis Teltow beherbergt nur drei Proberäume, ist deswegen kein Zentrum, und das hat seinerzeit einer gefickt eingeschädelt. Ausgehend von einer Empfehlung eines in Teltow ansässigen Flachdachabdichters wendete sich der Initiator an den Vermieter, einen großen Teltower Immobilien-Platzhirsch und räumte schon kurze Zeit später die angemieteten Räumlichkeiten frei. U.a. mussten Wahlplakate eines Bundestags-Wahlkandidaten namens Gerhard Schröder weggeräumt werden. Inzwischen sind Teppiche (orange) verlegt und Eierkartons von Eier-Schulze in Berlin-Lichterfelde an den Wänden verklebt. Es lebe der Raumklang.

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Dunstkreis Teltow
Dunstkreis Teltow

Alle Jahre wieder, mehrmals, treffen sich inzwischen drei bis (manchmal) vier Bands in noch zwei weiteren, hinzu gemieteten Kellerräumen (aneinander liegend mit einer gewissen Übersprechungslautstärke, vor allem an denselben Übungstagen), um dort Feten, bzw. Partys zu feiern. Der angesetzte Termin ist nicht ein Probetermin, wie er von den Teilnehmern wöchentlich teils mehrmals erfolgt. Die Verabredung zur nächsten Party-Reinkarnation (!!) trifft, wer Lust dazu hat. Einer findet sich stets von selbst und bezeichnet sich forthin als Initiator der nächsten Partyrunde. Inzwischen haben alle Bands ihre Routine wieder auf ein etwas solideres Fundament gestellt. Sämtliche dort übenden Bands sind Wiedereinsteiger, teils „ältere Herrn“, die die vergangenen Jahre in der gefühlten Kernschmelze des Älterwerdens verbrachten. Kind, Küche und Kanarienvogel (oder war´s Karriere?): die klassischen drei K hielten sie über Jahre davon ab, sich dem einzig Wichtigen hinzugeben, das ein älter werdendes Leben reizvoll macht: Musik, Musik, Musik (die klassischen drei Ms).

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Gitarrist, Average 47 - hohe Authenzität
Gitarrist, Average 47 - hohe Authenzität

Man tauscht sich aus.

Inhaltlich, musikalisch, persönlich. Jeder tauscht mit jedem – ein jeder tauche auch in andere ein, lasse sich ein auf andere Stile, Geschmäcker, Kenntnisstände beim Musizieren, Herangehensweisen. Ein bisschen aber auch Instrumente-Updates: Gestern tauschte einer die noch offene Restzahlung für ein 50 cm hohes Bühnenpodest gegen ein Ride-Becken (20′, Paiste, 2002er Serie) mit passendem Wohlklang im eigenen Beckenpark. Wenn auch der Verkäufer noch hart verhandelte. Der Erwerber des Beckens pokerte: dann aber mit Ständer. Woraufhin der Verkäufer und Bühnenpodest-Erwerber (verwirrend, nicht?) sofort konterte: ‚Dann habe ich keinen Ständer mehr.‘ Der Becken-Erwerber trocken: ‚Das ist ein Argument.‘ Doch die Vorzeichen am Abend standen gut, und die Beiden wurden sich schliellich handelseinig. Das Becken wuchs rüber vom einen in den anderen Raum und nun hängt es da, und wurde sogar gern gespielt. Der von der Restschuld fürs Bühnenpodest befreite Kollege Schlagzeuger sichtlich erleichtert: ‚Ich mochte es nicht‘ (das Becken). Bei den älteren Herren im Nachbarraum war mächtig was los. Aus allen Herren Stadtteile reisten Gleichgesinnte an, darunter auch die bereits gegründete Band Average 47. Die fünf Musiker gaben ein kleines Set von geschätzten vier bis fünf Stücken zum Besten. Angereist auch „die Crew“, darunter Leute, die Videos drehten, deren nachträgliche Bearbeitung nun vermutlich noch Wochen benötigen wird, erfahrungsgemäß. Von allen künftigen Rockstars unter uns Pastorentöchtern besitzt der Gitarrist der Band Average 47 unbestreitbar das einem künftigen Rockstar ähnlichste Outfit. Wer wollte dies bestreiten?

Ausgetauscht haben sich auch Menschen aus bestimmten Formationen und je später der Abend, desto ausgewechselter die Besetzungen, die `Line up´s‘, eher als so eine Art Spontanzusammenrottung zu begreifen. Der einzige erschienene Gitarrist von 2nd Live entpuppte sich, was einige bereits wussten, als äußerst talentierter Fender-Rhodes-Pianospieler, und was nun für eine halbe (oder ganze…, die Zeit verging wie im Flug) Stunde vonstattenging, kann man nur als beste Fusion-, Funk- und Rockmusiksession mit Avancen in fremde Gefilde wie Jazz bezeichnen. Im Nachbarraum dachten wiederum weitere, andere Sessionmusiker über den Song ‚Ich mag Musik, nur wenn sie laut ist‚ nach. Am späteren Abend fiel denn auch das Fehlen des zweiten Gitarristen von 2nd Live, der krankgeschrieben entschuldigt fehlte, nicht mehr auf. Zu sehr hatte sich jede feste Bandformation inzwischen aufgelöst. Jacqueline Jacob hat im Hintergrundgespräch erklärt, einst an der Musikschule Hanns Eisler den Jazzgesang zu DDR-Zeiten mit Abschluss absolviert zu haben. Der Eintrag auf sie in wikipedia, sie sei Schlagersängerin, sagt sie, wäre Quatsch, und er stimmt ansonsten. Dass Musik einen berührt, stellen wir fest. Die Frage, ob Jacqueline wieder als Jazzsängerin singt, wovon sie in den letzten Jahren etwas Abstand genommen hatte, stimmt sie nachdenklich. Etwas zu prognostizieren, ist verfrüht. Average 47, übrigens, kommt uns mit zwei Sangesgeschwistern daher: die Hauptrolle hat ein stimmgewaltiger Sänger übernommen, die Geschwisterin mischt sich nichtsdestotrotz gesangstechnisch ein. Man sieht´s.

Eine von zwei Sangesgeschwistern! Average 47
Sangesgeschwisterin! Average 47

Prinzipiell sind solche Abende wie diese dazu eine irgendwie gefühlte Ermunterung. Mach mal, das wird schon. Gegen nachts um zwei, halber drei Uhr sind alle Musiker in ihren Kisten (Betten) zuhause. Wir werden alle nicht jünger.

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ToDo-Liste fürs nächste Mal:

  • Die Bläsersektion hat insgesamt gefehlt. BLASiert macht´s noch mehr Spaß.
  • Gib dem Gesang eine Chance, Sessions mit vier Gitarristen gleichzeitig und drei Schlagzeugern, davon einer an Percussion, ist etwas viel.
  • Laut und leise: Gib der Dynamik eine Chance.
  • Nicht jeder muss zu jeder Zeit gleichzeitig solieren, nacheinander ist auch nicht schlecht.
  • Wunschbesetzungsliste: Die nächsten Sessions sollten eventuell im Vorhinein festgelegt werden mit Wunschbesetzung und Stilrichtungsangabe (die Hardrocker, bitte schön, aber was ist mit Jazz, boooahhhhh?) – Können Hardrocker eigentlich dazu verdonnert werden, eine Jazzsession mitzuspielen (und umgekehrt) – Waghalsigkeiten…
  • Grill anwerfen: bei minus 15 Grad nicht machbar, beim nächsten Mal aber schon. Stark im Kommen: Halloumi-Grillkäse (für Vegetarier)
  • Weitere Anmerkungen bitte in den Kommentaren

 

3 Gedanken zu „Review: Der Dunstkreis Teltow wächst sich zum Szenetreff aus…“

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