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Wader sagt Adieu. Hannes Wader, der wohl nachhaltigste deutsche Liedermacher, hat sich nach 50 erfolgreichen Bühnenjahren entschlossen, der Bühne Adieu zu sagen. Im Herbst 2017 tritt der dann 75-jährige zu seiner letzten großen Tournee an, die am 30. November im Berliner Tempodrom endet. (schreibt Prinz Rupi hier)

Der beginnende, bewegende Ruhm jener Ursprungs-Jahre 1965, 1966 und allem was folgte findet seinen Abschluss im Abschiedskonzert am 30.11.17 im Berliner Tempodrom, mit dem Hannes Wader nach 50 Jahren Bühnenpräsenz Abschied von den die Welt bedeutenden Brettern nimmt. Aus Anlass dieses Abschieds sagt blackbirds.tv Hannes Wader nochmals ausdrücklich Danke für alles. Das Eingangsbildchen dieses Artikels symbolisiert das schicksal- und zauberhaft Geahnte der Bedeutung des Waderschen Liedguts. Ziviler Ungehorsam gegen das Establishment, damals noch mit Strumpfhosen, Zöpfen und kleinkariertem bundesrepublikanischem Anstrich.

2013 hat Hannes Wader den Echo Lebenswerk erhalten. Die Laudatio auf ihn hielt Reinhard Mey, hier der Wortlaut der Rede:

„Guten Abend. Ich freue mich, hier zu sein, und dass es darum geht, einen lieben Freund und guten Weggefährten mit einem Echo für sein Lebenswerk zu ehren.

Unsere Weg beginnt in grauer Vorzeit, im vorigen Jahrhundert, wir schreiben das Jahr 1965. Ganz Deutschland stöhnt unter dem Joch amerikanischer Schlager, deutscher Schnulzen und lähmender Tanzmusik. Ganz Deutschland? Nein, ein kleines Häuflein unbeugsamer, zorniger junger Leute lehnt sich dagegen auf. Sie rotten sich zusammen auf einer grünen Wiese vor einer Burg mit Namen Waldeck, singen widerborstige Lieder, die sie selber schreiben und mit denen sie dem Stumpfsinn speienden Drachen der Volksverdummung den Gar ausmachen wollen.


Hannes Wader – Echo-Verleihung für sein Lebenswerk 2013

Im Videobeitrag: Die ungekürzte Laudatio (Text hier als Reprint) und am Ende Abschluss bei der Echo-Verleihung 2013 für sein Lebenswerk: Hannes Wader zusammen mit den Toten Hosen: Heute hier Morgen dort

Ich saß auf dieser Wiese bei einem prähistorischen Open-Air, man nannte es damals noch Freiluftveranstaltung, und wurde Zeuge, als dieser hagere, große Junge mit einem kühnen Sprung die Bühne erklomm, begnadet Gitarre spielte und mit klarer Stimme sang. „Die Blumen des Armen“ hieß sein Lied und es traf mich wie ein Schlag. Das war das, was ich schon immer hören wollte, das war das, was ich suchte, das war das Lied, nach dem wir uns alle sehnten. Wir wussten alle an diesem Abend des Jahres 1965, dass ein Meister vor uns stand: Der große, hagere Junge hieß Hannes Wader.

Wir erkannten uns als Seelenverwandte und wurden Freunde, wir hatten jeder eine Handvoll eigener Lieder und waren begierig, auszuprobieren, was wir da geschrieben hatten. Aber mit einer Handvoll Liedern – selbst wenn es lange sind – ist es schwer, einen ganzen Konzertabend zu bestreiten. Also legten wir unsere Schätze zusammen, gingen gemeinsam auf die Bühne und sangen abwechselnd unsere Lieder. Wenn eine Zugabe verlangt wurde, sang ich eins von Hannes’ Liedern, und Hannes eins von mir. Wir sangen überall, wo man uns ließ, auf Straßenfesten, in Kellertheatern, am liebsten in Kneipen, denn wo viel getrunken wurde, konnten wir nach der Pause, die Lieder aus der ersten Hälfte nochmal singen, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre.

Heute hier, morgen dort, bin kaum da, muss ich fort, hab‘ mich niemals deswegen beklagt. Hab es selbst so gewählt, nie die Jahre gezählt, nie nach gestern und morgen gefragt. Manchmal träume ich schwer und dann denk ich, es wär Zeit zu bleiben und nun was ganz andres zu tun. So vergeht Jahr um Jahr und es ist mir längst klar, dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war.

Es war unsere Sturm- und Drangzeit, wir schrieben wie im Rausch und irgendwann hatte jeder von uns sein eigenes abendfüllendes Programm, sein Publikum und jeder ging seinen eigenen Weg allein weiter. Wir haben uns nie aus den Augen verloren, nicht aus dem Sinn und aus den Ohren erst recht nicht, aber wir waren so verdammt beschäftigt, immer unterwegs – heute hier morgen dort – keine Zeit innezuhalten.


Hannes Wader Heute hier morgen dort

Erst gegen Ende der 80er Jahre, als der Sensemann durch unsere Reihen ging und die ersten Freunde mitnahm, erkannten wir, dass auch unsere Zeit nicht endlos sein würde und wie kostbar Freundschaft ist, und wir sind wieder enger zusammengerückt. Mit unserem Leben, unseren Familien unseren Kindern und Kindeskindern. Und wie damals singt wieder einer ein Lied des anderen, Hannes singt meine alte Ballade von den „Mädchen in den Schenken“ und ich sein „Es ist an der Zeit“, das wichtigste und ergreifendste aller Lieder, die ich kenne.

Dass man mich kaum vermisst, schon nach Tagen vergisst, wenn ich längst wieder anderswo bin, stört und kümmert mich nicht. Vielleicht bleibt mein Gesicht doch dem ein oder anderen im Sinn. Manchmal träume ich schwer und dann denk ich, es wär Zeit zu bleiben und nun was ganz andres zu tun. So vergeht Jahr um Jahr und es ist mir längst klar, dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war.

Hannes Wader hat die Musikszene bewegt, und er hat erreicht, was alle Liedermacher sich auf die Fahne geschrieben haben: die Welt ein Stück besser zu machen. Denn mit seinen leidenschaftlichen Hymnen gegen den Krieg, Gewalt und Unrecht hat er eine ganze Generation dazu gebracht, sich das mit dem Dienst an der Waffe nochmal zu überlegen und lieber als Ziwi in Krankenhäuser und Pflegeheime zu gehen und den Menschen wirklich zu dienen. Hannes Wader hat sich mit seinen Liedern und seinem Lebenswerk um die Menschlichkeit verdient gemacht. Ich verneige mich vor einem wahrhaft großen Liederpoeten, und ich umarme einen lieben, warmherzigen Freund.

Fragt mich einer, warum ich so bin, bleib ich stumm, denn die Antwort darauf fällt mir schwer. Denn was neu ist, wird alt und was gestern noch galt, stimmt schon heut oder morgen nicht mehr. Manchmal träume ich schwer und dann denk ich, es wär Zeit zu bleiben und nun was ganz andres zu tun. So vergeht Jahr um Jahr und es ist mir längst klar, dass nichts bleibt, dass nichts bleibt, wie es war.

Lieber Hannes, Ich bin glücklich, dass ich Dir nach bald 50 Jahren gemeinsamen Weges zum Echo für Dein Lebenswerk gratulieren kann. Glückwunsch, lieber Freund, Du hast ihn verdient – aber ich verlange Dir an dieser Stelle das Versprechen ab, dass du dein Lebenswerk zu unser aller Freude in kommenden, guten Jahren noch kräftig ausbaust! Wir brauchen Dich! (Reinhard Mey, Redetext Laudatio, Echo 2013)

(Ende der Laudatio)

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