Steht der künstlerischen Entfaltungsfreiheit ein Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht gegenüber, der die Verwertungsmöglichkeiten nur geringfügig beschränkt, können die Verwertungsinteressen des Tonträgerherstellers zugunsten der Freiheit der künstlerischen Auseinandersetzung zurückzutreten haben. Dies hat das Bundesverfassungsgerichts mit heute verkündetem Urteil entschieden. Er hat damit einer Verfassungsbeschwerde stattgegeben, die sich gegen die Feststellung wendete, dass die Übernahme einer zweisekündigen Rhythmussequenz aus der Tonspur des Musikstücks „Metall auf Metall“ der Band „Kraftwerk“ in den Titel „Nur mir“ im Wege des sogenannten Sampling einen Eingriff in das Tonträgerherstellerrecht darstelle, der nicht durch das Recht auf freie Benutzung (§ 24 Abs. 1 UrhG) gerechtfertigt sei. Das vom Bundesgerichtshof für die Anwendbarkeit des § 24 Abs. 1 UrhG auf Eingriffe in das Tonträgerherstellerrecht eingeführte zusätzliche Kriterium der fehlenden gleichwertigen Nachspielbarkeit der übernommenen Sequenz ist nicht geeignet, einen verhältnismäßigen Ausgleich zwischen dem Interesse an einer ungehinderten künstlerischen Fortentwicklung und den Eigentumsinteressen der Tonträgerproduzenten herzustellen.
Letztlich ist vielverbreitet moderner Journalismus, auch wie er in Blogs betrieben wird, Sampling. Die zeitgenössische, sekundenhafte Wiedergabe von vorgekautem Tobak. Bzw. vorgeschnupftem. Der nur geringfügig veränderte Einleitungssatz dieses Artikels ist ein Zitat aus einer Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts heute morgen. Der Musiker Moses Pelham hat gegenüber der Düsseldorfer Band Kraftwerk (nicht Kraftclub) obsiegt. Das Urteil wird Bedeutung haben für die gesamte Branche. Die BGH-Richter hatten zuvor entschieden, dass ein fremder Beat – und sei er noch so kurz – nur dann einfach kopiert werden darf, wenn er nicht gleichwertig nachgespielt werden kann. Für die kurze Zeit von vier Jahren hätten also äußerst gute Schlagzeuger mit weitreichenden Instrumentenkenntnissen einen klaren beruflichen Vorsprung gehabt, weil der BGH das Nachspielen extrem guter, bisweilen schwieriger Beats für prioritär hielt. Die BVG-Entscheidung schiebt da einen Riegel vor. Nachaffen, also Drummer, die erfolgsverwöhnte Beats hammerhart exakt nachzimmern, haben heute morgen einen Auftragsstopp bekommen. Schade für Drummer wie Jan „Stix“ Pfennig oder Ralf Gustke bzw. Felix Lehrmann, die für gute, gekonnte Grooves und „Groove wie Sau“ in diesem Genre herausragend stehen.
Heute nehmen wir das Bundesverfassungsgericht zur Kenntnis und sampleln das juristische Substrat. Schon morgen wird weiter abgekupfert: Wie im obigen Journalismus ist Musik heutzutage vielfach und verallgemeinernd mit oder ohne Bedauern feststellend, ein Sampling des bereits Gewesenen. So richtig originale Musik täte vielfach besser. Allerdings ist es auch nicht die Aufgabe des tulipanischen Berichterstatters aus Schwarzvogelstan, die allgemeine Verbesserung von Musik zu fordern, indem jedes Sampling unterlassen werde. Nein, es sind auch viele gute Musikstückchen, Tortenstückchen der Popmusikindustrie durchs Gerühr und Gequirle mit Sampling-Apparaten herausgekommen.
Wohl bekomms. Wir bleiben auf Beobachtungskurs. Ein Foto, für das wir keine Nutzungsrechte besitzen, ist heute in der Spezialistengruppe:Musikerrwitze auf facebook aufgetaucht und trägt eventuell durchaus die Bezeichnung „Das Foto des Tages“, doch schaut selbst….
Weiterführend
Gelinkt: Die Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichs im kompletten Wortlaut
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