Fr. Mrz 29th, 2024

Aus der Spezialistengruppe: Musikerwitze bei Facebook sinngemäß: „Laufen zwei Musiker mit Gitarrenkoffer zur Bushaltestelle. Kommen sie ins Gespräch. Sagt der eine: Ey, lass mal dein Ding sehen! Klappt der andere den Koffer auf, innenliegend ein eBass. Sagt der andere: Ey, warum das? Hattest du nen Schlaganfall?“

Am Samstag, den 12.06.2010 spielte die Berliner Band Mo‘ Blow im Quasimodo. Trotz Fussball WM, äußerst volles Kulturprogramm überall woanders in Berlin, ja, die Luft, die brennt in diesen Tagen in Berlin, und auch in Südafrika. Vielleicht erst recht! Dem Quasimodo ist dafür zu danken, und wer fußballsüchtig sei, der könne sich ja oben im Café mal schnell auf den neuesten Stand bringen. Das Konzert, das war ein furioses Erlebnis: erstklassige, handgespielte Musik von vier recht jungen „Mit- bis Endzwanzigern“ Anfang dreißig (!!) und einem Jazzopa, der berühmt ist.

Felix Falk, Tobias Fleischer - Mo´Blow Quasimodo
Felix Falk, Tobias Fleischer - Mo´Blow Quasimodo

Für jegliche Art von verbalen Unflätigkeiten und Verballhornungen im folgenden Text bitten wir diese „herzerfrischenden Livemusiker“ sehr herzlich um Entschuldigung. Denn es gebietet das Gebot „freier Gedanken“ im deutschen Liedgut („Die Gedanken sind frei, kein Mensch…), sich all jener Gedanken zu bedienen, die man assoziiert, wenn man etwas sieht. Und hier geht es nachweislich um Musik, um was sonst? Entscheidend ist am Ende die Summe aller Gedankenspiele und das Fazit, in welche Richtung sich jede noch so abwegige Äußerung aufsummiert zu Lob oder Tadel. Das Ergebnis daher sicherheitshalber gleich vorweg: Lob, Lob, Lob!

Der JazzFunk/Funkjazz-Kritiker im Allgemeinen ist immer ein bisschen misstrauisch gegenüber Chefmodellen. Der ausgewiesene Chef der Band heißt Felix Falk und kann -kurz gesagt- gut blasen. Das tut er während eines solchen Konzerts, nachgezählt, auf mindestens vier verschiedenen Blasinstrumenten, das Skurrilste ist ein Digeridoo. Wer nun eine Art esoterischen Befreiungstanz mit Omh-Charakter erwartet, wird enttäuscht. Und Gott sei Dank! Das setzt Felix Falk nämlich so ein, dass es Gänsehautcharakter bekommt. Ähnliche Haut auch bei einigen im späteren Verlauf des Konzerts aufkommenden Blastechniken, die mächtig schieben, quietschen, stoßartig angeblasen und „funky“ on the beat. Guter Mann.

Mo`Blow - Quasimodo - 12.06.10
Mo`Blow - Quasimodo - 12.06.10

Ansonsten auffällig: Der Mann schüttelt sich gern einen. Mit einer ganzen Latte, verschiedenen Percussiondingsbumsen, Korbeier, Muscheln (ohne Sauce), kleine Klingklöngs und immer wieder „handgeschüttelt“, weniger gerührt. Man sieht selten jemanden, der so inbrünstig Achteln schütteln kann, wie Felix Falk. Tight, straight, Schweißperlen auf der Stirn, aber „on the groove“. Ob er das in Liverpool gelernt hat? Vertiefen wir bei Gelegenheit.

Matti Klein (ePiano) - Mo´Blow - Quasimodo
Matti Klein (ePiano) - Mo´Blow - Quasimodo

Apropos Befreiungstanz, esoterischem Quatsch und „Ich lerne, meinen Namen zu tanzen“ (siehe oben): Schon sind wir bei Assoziationen, Erinnerungen, Ähnlichkeiten und wer auch immer sich hierdurch angegriffen fühle, dem sei eine Entschuldigung vorab ins Liederbuch geschrieben. Matti Klein ist so einer, der richtig begnadet spielen kann. Das Foto fängt es gut ein und der Rezensent sieht hier vor einem geistigen Auge (also doch Omh!) einen Chick Corea vor sich, sicherheitshalber links oben gleich „erschienen“ als „brother in law“, als „mindblower“ und „Übervater“. Ja, solche Assoziationen hat das Spiel von Matti Klein in uns geweckt, und wir bitten dafür um….das sagten wir schon. Ziemlich weit vorn im ersten Teil des Konzerts berührte uns der Mann so, dass uns die Wässer in die Augen trieben. Godfather.

Ein Führerprinzip, das müsse argwöhnisch machen, wenn Jazz im Spiel ist. Siehe oben. Es hat sich nicht bestätigt, was wir zunächst als so eine Art Vorurteil vor uns hertrieben, in der Absicht, einen Mastermind und Bandleader erst einmal besonders kritisch zu beäugen. Die Auflösung dazu weiter unten.

André Seidel (dr) - Mo´Blow - Quasimodo
André Seidel (dr) - Mo´Blow - Quasimodo

Man fragt sich, ob André Seidel (dr) uns in einer Fortsetzungsverfilmung von „Die Blechtrommel“ eventuell einen überzeugenden Oskar Matzerath hätte geben können? Das lässige Käppi auf dem Kopf, und ein paar mehr gekonnte Trommelwirbel, allerdings von Glas berstenden Urschreien eher keine Spur. Und deswegen hinkt der Vergleich. Seinen ersten Proberaum hatte Seidel direkt unter der elterlichen Wohnung in Berlin-Wilmersdorf. Sein Vater, Handwerker von Beruf, sägte in die Stockwerksdecke einfach ein Kreisrund rein und forthin übte der „kleine André“ unter der elterlichen Wohnung.

Es hat einiges genützt, wir hören eine disziplinierte, sehr punktgenaue, banddienliche Begleitung. Besonders die Hihat-Arbeit gefällt und häufiger werden groovigere 32-tel-Partikel eingestreut. Die pflichtgemäßen Drumsoli gibt es häufiger, stets kurz, erfrischend und weiterführend, wieder einmündend in das Bandzusammenspiel. Am Eingang des Quasimodo steht die Ex-Freundin und verkauft die Mo´Blow-CDs zu 15,- € das Stück. Schon während das Konzert noch „verläuft“, stürmt der Rezensent erst zur Ex-Freundin hin, einen Stützungskauf zu tätigen (siehe hier), und um danach einen Riesling am Tresen zu bestellen. Zur Musik von Mo´Blow passt denn auch eher der weiße Rebensaft, ein leichter Italiener oder ein fruchtiger deutscher Riesling, als ein spanischer, roter Schwerenöter, der im Fass sein Barrique ausgebaut hat. Zurück zur Musik.

Tobias Fleischer (b) - Mo´Blow - Quasimodo
Tobias Fleischer (b) - Mo´Blow - Quasimodo

Jetzt gelangen wir zum vielleicht schwierigsten Vergleich des heutigen Abends, der durch das Denken in starkem Maße beeinflusst ist und sich eventuell nicht gehört, doch das stimmt nicht, und dafür werden wir die überzeugenden Argumente vortragen. Es dreht sich um den Bassisten Tobias Fleischer, über dessen Bassspiel man nur Gutes sagen kann. Es ist gekonnt, und gelernt ist gelernt. Auf facebook gründete sich grade eine aberwitzige Gruppe mit dem Titel „Seit Kachelmann im Knast sitzt, ist das Wetter scheisse“. Jörg Kachelmann ist eben ein Wettergott, für den die Unschuldsvermutung gilt, bis die gegen ihn erhobenen Vorwürfe rechtskräftig festgestellt wurden.

Dass Tobias Fleischer m.E. eine gewisse Ähnlichkeit mit Kachelmann besitzt, sollte ihn daher nicht verärgern. Zum einen würde sich „ein Bruder“ seinen größeren nie ausgesucht haben können, zum anderen gehörte Kachelmann vor kurzem noch zur Top Ten Deutschlands begehrtester Männer bei den Frauen. Und wenn Kachelmann ein Wettergott ist, ist vielleicht Tobias Fleischer ein Bassgott? – Na also, es geht doch, und selbst vollkommen abwegige Gedanken können zueinander geführt eins ergeben: Eins und eins ist eins (1973: Medicine Head: One and One is One – Youtube) Ansonsten gehört Tobias Fleischer im Rahmen dieses Berichts daher abschließend auf das reduziert, was er ist: ein äußerst fähiger Bassist, der auch gute Ansagen zwischen den Stücken macht.

Gunter Hampel - Mo´Blow - Quasimodo
Gunter Hampel, Bassklarinette - Mo´Blow - Quasimodo

Und dann ist da noch „das featuring“ namens Gunter Hampel. Hampel ist ein Multiinstrumentalist, Baujahr 1937, vorgestellt hatten wir ihn hier schon, zumindest andeutungsweise. Kommt noch das hinzu, was wir noch nicht gesagt haben, und da wäre vieles, das man über ihn sagen kann. Felix Falk deutet es zwischen zwei Stücken an, erklärt den gemeinsamen Soundcheck, und als Gunter Hampel währenddessen sagt, „ach ja, ich glaub hier war ich schon mal, das muss 1968 gewesen sein“, wird einem klar, was da auf der Bühne steht. Ein unheilbar Erkrankter, dessen Krankheitsgeschichte alles andere als besorgniserregend ist. So eine Art Molière, ein eingebildeter Erkrankter, der eine weltweit viel verbreitete Krankheit namens Xylodontia Xylophysis (Eigenerfindung von blackbirds.tv, Entdeckung weltweit am 12.06.10, abends im Quasimodo Berlin) hat, und das, um sich pudelwohl zu fühlen.

Gunter Hampel - Mo´Blow - Quasimodo
Gunter Hampel - Mo´Blow - Quasimodo

Die neuentdeckte Krankheit wird jetzt in wissenschaftlichen Expertisen mau als Suchtkrankheit beschrieben, einmal davon infiziert, hält sich das Krankheitsbild lebenslang und Abhilfe schafft nicht einmal der Tod.

Während einige der Infizierten in den Rock’n Roll-Himmel kommen (Beispiel: Jacky Spelter hier), kommen andere direkt zu Gott, der (Quelle: Spezialistengruppe: Musikerwitze) sich als Miles Davis versucht und zusammen mit Buddy Rich, Ben Webster und Jacko Pastorious eine Art Allstar-„Band of Heaven“ zu gründen beabsichtigt.  Die Krankheit gilt zur Lebenszeit zwar als ausgeprägt, gesundheitlich aber vollkommen unbedenklich und Gunter Hampel fasst es später im Zwiegespräch mit uns so sinngemäß zusammen: „Wir müssen etwas machen, woran wir glauben, das hält uns am Leben.“ Gut gesagt, Gunter! Gunter steht jetzt in Berlin unter Beobachtung, aber nicht ärztlich!

Das war ein ganz toller Abend, liebe Musiker auf der Bühne: Wir ziehen unseren Hut und rufen laut: Chapeau!

blackbirds.tv empfiehlt:

  • Auf blackbirds.tv zu dieser Band recherchieren.
  • Websites aufsuchen, die mit der Band und Gunter Hampel (jeweils) zu tun haben.
  • Aktuelle CD von Mo‘ Blow kaufen, wurde hier durchgehört und ist ein echter Tipp!
  • Konzerte dieser Band unbedingt besuchen, wer gutgemachte JazzFunk (oder war es umgekehrt)-Musik mag.
  • Keinen Sänger zu erwarten, sondern instrumentale Musik.
  • Sich mal vorzustellen, wie diese Band klingen würde, wenn sie vereinzelt großartigen Sängerbeistand hätte? (Entwicklung)
  • Die Vorwürfe gegen Jörg Kachelmann unverzüglich aufzuklären.
  • Keine Anschlussverfilmung zu „Die Blechtrommel“
  • Vor dem Durchsägen der Stockwerksdecke einen Statiker mit der Überprüfung zu beauftragen!
  • Weil das Gegenstand einer Diskussion mit einer weiblichen Musikerin vor kurzem anderswo war: Ich habe bei zwei ausgewachsenen Frauen gesehen, was bei einem männlichen Musiker auf der Bühne dessen „fuckability-Faktor“ ist und mir wurde ausgiebig darüber berichtet. Es gebietet allein die Diskretion, dies hier nicht noch auszubreiten! (Die Musikerin hatte behauptet, Lena Meyer-Landrut werde hauptsächlich wegen dieses Faktors hochgeschrieben und nicht wegen ihrer erfrischenden Art…)
  • 2 be continued! bei Gelegenheit

Vorläufige Linksammlung zur weiteren Recherche:

3 Gedanken zu „204/10: Gigs, Review: Am Sa, den 12.06. spielte Mo‘ Blow feat. Gunter Hampel – von Kachelmann u.a.“

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